
Streit um Stefan Heyms Grabstein:
Vom Verständnis eines Testamentes
Die Witwe des Autors
Stefan Heym versteht sein Testament so, dass er auf seinem Grabstein
weder einen Davidstern noch traditionelle hebräische Buchstaben haben
wollte. Dies aber verlangt die Ordnung des Jüdischen Friedhofs Weißensee
Von Philipp Gessler und Nick Reimer
Ein schlichter Satz: "Auf dem Stein
soll mein Name stehen, das Geburts- und das Todesdatum." So steht es
nach Angaben von Natan Del im Testament des Schriftstellers Stefan Heym,
der vor ziemlich genau einem Jahr starb und auf dem Jüdischen Friedhof
in Weißensee beerdigt wurde. Del ist Kultusdezernent der Jüdischen
Gemeinde zu Berlin. Er interpretiert den Satz so: Der Schriftsteller
habe gewollt, dass diese Angaben auf seinem Grabstein vermerkt sind. Er
habe aber nicht ausgeschlossen, dass noch anderes auf dem Stein steht.
Heyms Witwe, Inge Wüste-Heym, versteht den Satz anders: Ihr Mann habe
ausdrücken wollen, dass nichts anderes auf dem Grabstein stehe als
ebendies.
Aus dieser Text-Exegese ist ein Streit
entstanden. Denn die 1999 erlassene Friedhofsordnung für den Jüdischen
Friedhof schreibt vor, dass auf Grabsteinen ein Davidstern und sieben
hebräische Buchstaben eingraviert sein müssen - Abkürzungen für: "Hier
ruht" und "Möge seine Seele eingebunden sein in den Bund des ewigen
Lebens".
Heym verfasste sein Testament 1981. Er
konnte die Friedhofsordnung von 1999 nicht kennen. Del sagt aber, dass
Inge Wüste-Heym schon seit dem Frühjahr mit der Friedhofsverwaltung im
Gespräch darüber gewesen sei, wie das Grabmal aussehen könne -
ursprünglich habe sie eine andere Gestaltung des Grabs gewollt. Der
Bildhauer des umstrittenen Grabsteins habe sie offenbar nicht gewarnt,
dass diese Form hier nicht erlaubt sei - obwohl er häufiger Gräber auf
dem Jüdischen Friedhof in Weißensee gestalte. Nach Dels Angaben hat er
selbst erst am Mittwoch vergangener Woche davon erfahren, dass Inge
Wüste-Heym keine andere oder zusätzliche Gravur auf den Stein ihres
verstorbenen Mannes haben wolle. Sie habe sich nicht an die Vereinbarung
gehalten, diese sensible Angelegenheit nicht in die Öffentlichkeit zu
tragen. Sie sei auch zu einem vereinbarten Treffen mit dem Vorstand der
Jüdischen Gemeinde und ihm am Montag nicht erschienen. Öffentlich
verkündete Inge Wüste-Heym, sie sei in dieser Sache zu keinem Kompromiss
bereit.
Sie werde sich an den letzten Willen
ihres Mannes halten, betonte Inge Wüste-Heym im Gespräch mit der taz:
"Ich verstehe nicht, dass es angesichts der vorliegenden Daten keine
Ausnahmegenehmigung geben soll." Schließlich habe es diese auch in
anderen Fällen gegeben. "Zum Beispiel bei einem Rabbiner, ausgesprochen
in dem Jahr, in dem die Friedhofsordnung bechlossen wurde." Die
Dramaturgin appelliert deshalb an den Vorstand der Jüdischen Gemeinde,
aufgrund der "offensichtlich zwingenden Datenlage" einer Ausnahme
stattzugeben.
Del hält dagegen: Heym sei kein
Gemeindemitglied gewesen - und selbst bei denen habe es in den
vergangenen anderthalb Jahren keine Ausnahme bei der Grabsteingestaltung
gegeben. Der Rabbiner-Grabstein, von dem Inge Wüste-Heym spreche, stamme
aus dem Jahr 1953, nur der Zusatz für die Frau des Rabbiners von 1999.
Und auch dort habe man Davidstern und die sieben Buchstaben angebracht.
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