Auf dem zentral gelegenen Gelände, in unmittelbarer Nähe zum
Brandeburger Tor, wird es bald wieder was zu feiern geben.
Neue Attraktion in Berlin:
Holocaustpark fast fertig!
Während viele der Überlebenden nicht wissen, wie sie im
kommenden Winter heizen sollen, gehen die Bauarbeiten am weltgrößten
Holocaust-Freiluftdenkmal zügig voran.
Der kleine Erlebnispark soll dem Gedenken an den größten und best
organisierten Raubmord in der Geschichte der Menschheit eine klar definierte
und respektable Adresse geben. Die in die Thematik traditionell gut
eingearbeitete Firma DeGuSSA wird schon bald den letzten Schliff anlegen.
Ein Besuch der deutschen Hauptstadt lohnt übrigens zu jeder Jahreszeit.
Vergessen Sie nicht einen Besuch der Flick-Ausstellung mit einzuplanen, denn
auch so können Sie am vererbten Nazigeld partizipieren -
Brosamen von Tisch der Herrenmenschen sozusagen.
Schon 1998 schrieb die "Volkskrant"
vor dem Hintergrund der Mahnmaldebatte und der gleichzeitigen Weigerung der
deutschen Wirtschaft Lohnzahlungen an die nach Deutschland verschleppten
Zwangsarbeiter nachzureichen: "Das unsinnige Denkmal könnte durch eine echte
Geste ersetzt werden, eine monumentale Geste, die peinliche Prozesse
überflüssig macht: Für die Opfer und Hinterbliebenen richtet die deutsche
Wirtschaft freiwillig einen Fonds ein in Höhe der Kosten für ein Jahr DDR".
Es ist geschmacklos solche Vorzeigeprojekte zu feiern,
solange noch so viele Überlebende keinen einzigen Cent Entschädigung
erhalten haben, weder für die ermordeten Angehörigen, noch für die verlorene
Zeit, noch für die unter Todesangst abgepresste Arbeit, noch für die
geraubten und verlorenen Güter, noch für die Leiden, den Schmerz, die Scham
und die Erniedrigung und die schlaflosen Nächte in den Jahrzehnten danach.
(dg)
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Brosamen vom Herrentisch
Der
Wirtschaftswissenschaftler Thomas Kuczynski legte 1999 ein Gutachten vor, in
welchem er errechnet hatte, dass Deutschland den NS-Zwangsarbeiterinnen und
Zwangarbeitern 180 Milliarden DM schulden, das wäre der ihnen vorenthaltene
Lohn.
Die Studie wurde stark diskutiert, sogar im Bundestag, doch es änderte
nichts daran, dass man den Zwangsarbeiterinnen und Zwangarbeitern lediglich
10 Milliarden zugestehen wollte. Kuczynski beschreibt, warum es mehr
"Entschädigung“ nicht hätte sein können, und welche politischen Prozesse
hinter der so genannten "Entschädigungsdebatte“ stehen.
Es war geradezu grotesk, wie die damaligen
Chefs von Deutscher Bank und Daimler-Chrysler namens der Stiftungsinitiative
der deutschen Wirtschaft bei ihren Kollegen darum bettelten, sie möchten
doch durch Einzahlung von einem Tausendstel ihres Jahresumsatzes der
Stiftung beitreten, um auf diese Weise das Ansehen Deutschlands und der
deutschen Wirtschaft in der Welt zu stärken und zugleich einen dauerhaften
Rechtsfrieden zu schaffen. In die Finanzverhältnisse der "Arbeitnehmer"
übersetzt, wurde also darum gebeten, wahlweise auf ein Glas Bier oder eine
Tasse Kaffee im Monat zu verzichten, und das über ein ganzes Jahr — eine
unerhörte Leistung, die da abverlangt worden war.
Ich weiß ganz genau, daß die Abrechnung
nach "Gerechtigkeit" niemals stattfindet [...] und so werden auch die
heutigen Sünden [...] und all die Niedertracht sich in dem Wust historisch
unbeglichener Rechnungen verlieren, und bald werden alle wieder "ein einig
Volk von Brüdern" sein.
Rosa Luxemburg (November 1917)
In einem Brief an Sophie Liebknecht (aus dem Gefängnis Breslau geschrieben
in der zweiten Novemberhälfte 1917), zit. n. Rosa Luxemburg: Gesammelte
Briefe, Bd. 5, Berlin 1984, S.323.
Dieser Halunke ist mit Mord davongekommen
- und jetzt auch noch mit der Beute.
E. Shinwell zum Abkommen zwischen
Krupp und der Jewish Claims Conference (Dezember 1959)
Kommentar des britischen Labour-Abgeordneten Emanuel Shinwell zu dem
zwischen Krupp und der Jewish Claims Conference im Dezember 1959
geschlossenen Abkommen: "This rascal got away with murder and is now getting
away with the swag". Zitiert nach Benjamin F. Ferencz: Less than Slaves.
Jewish Forced Labor and the Quest for Compensation. Cambridge/Mass., London
1979, S. 88 (i. d. dt. Obers. Lohn des Grauens. Die Entschädigung jüdischer
Zwangsarbeiter - Ein offenes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte.
Frankfurt/M., New York 1981, S. 121; da die Übersetzung nicht sehr gelungen
ist, wird stets zuerst auf das Original verwiesen).
Non olet - Es stinkt nicht.
Kaiser Vespasian (9-79) zu dem Vorwurf,
er nehme Geld aus einer Latrinensteuer ein
Sueton: Vespasianus, 23. Zit. n. Werke in einem Band. Hg. v. W. Krenkel.
Berlin 1965, S. 380f.
Brosamen vom Herrentisch
Von Thomas Kuczynski
Vorbemerkung
Einhundertachtzig Milliarden DM (also etwas über neunzig Milliarden Euro)
– auf diesen Betrag schätzte der Wirtschafts-wissenschaftler Thomas
Kuczynski in einem Anfang November 1999 vorgelegten Gutachten, was den
ehemaligen Zwangsarbeitskräften an vorenthaltenen Löhnen nachzuzahlen sei.4
Das Gutachten hatte er im Auftrag der in Bremen
ansässigen Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts für die
Rechtsanwälte Ed Fagan (New York) und Michael Witti (München) verfasst. Die
Stiftung beriet zu jener Zeit eine Gruppe von Anwälten in historischen
Fragen, vor allem bei deren "Bemühungen um die Entschädigung der Opfer von
Zwangsarbeit, Vermögensenteignungen und ‚Arisierungen‘ durch deutsche
Unternehmen und Behörden zur Zeit der NS-Diktatur“.
Der Ausgangspunkt des Gutachtens war im Grunde der gleiche wie der von
Hans
Frankenthal, der als KZ-Häftling den Aufbau des Buna-Werkes der IG
Farben in Auschwitz überlebt hatte. Er hatte als Grundforderung bei allen
Entschädigungsverhandlungen in Sachen Zwangsarbeit formuliert:
"Den ehemaligen Sklavenarbeitern steht zumindest der bis heute nicht
ausbezahlte Arbeitslohn zu.“6
Zumindest, denn bei einer so formulierten Forderung wird von all dem
abgesehen, was nach bürgerlichem Recht als Schmerzensgeld bezeichnet wird
und im Bürgerlichen Gesetzbuch so verankert ist: "Im Falle der Verletzung
des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung kann
der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine
billige Entschädigung in Geld verlangen.“ (§ 847, Ziff. 1 BGB)
Die von Frankenthal formulierte Mindestforderung ist einleuchtend und ihre
Basis so einfach, daß sie all jenen, die Löhne oder Gehälter empfangen bzw.
zahlen müssen, verständlich sein sollte: Was die Zwangsarbeitskräfte damals
zu wenig ausbezahlt bekommen haben, muss ihnen jetzt nachgezahlt werden. So
hatte es auch der Jurist Burkhard Heß 1996 formuliert: "...maßgebend ist der
Lohn, den ein deutscher Arbeiter an der Stelle des ausländischen
Zwangsarbeiters verdient hätte.“
Die im Gutachten zu untersuchende Frage war also, wie viel ihnen damals
vorenthalten worden war und wieviel sie demzufolge nachgezahlt bekommen
müssten. Dabei konnte es nicht darum gehen, für konkrete Einzelfälle
auszurechnen, was und wieviel nachzuzahlen sei, es ging um einen
Gesamtbetrag, der aus den wirtschaftlichen Resultaten der geleisteten
Zwangsarbeit abzuleiten war. Diese Resultate wurden während des Zweiten
Weltkriegs erzielt, und ihre Berechnung hatte daher unabhängig davon zu
erfolgen, ob die Opfer zum Zeitpunkt der Abgabe des Gutachtens (November
1999) noch am Leben waren oder nicht. Um die Höhe der Forderung zu
bestimmen, war der aktuelle Wert des so ermittelten Betrags festzustellen.
Ein solches Herangehen setzt voraus, Zwangsarbeit als justiziable, von
Tätern begangene Straftat zu qualifizieren. Diese Sichtweise ist in der
Literatur bis heute umstritten. Insbesondere die deutsche Industrie hat sie
stets scharf bekämpft, getreu der Schlußerklärung des Angeklagten Friedrich
Flick in Nürnberg 1947: "Nichts wird uns davon überzeugen, daß wir
Kriegsverbrecher sind.“
In einem ersten Teil wird herausgearbeitet, warum und wie und von wem das
Entschädigungsproblem über fünfzig Jahre hinweg verschleppt worden ist und
hat verschleppt werden können. Aus der Darlegung dieses mehr juristischen
Hintergrundes ergibt sich auch, warum mit den im Gutachten vorgelegten
Berechnungen vom Ansatz her völliges Neuland beschritten worden ist.
Daran anschließend werden, in einem zweiten Teil, die Methoden der
Ausraubung der ehemaligen Zwangsarbeitskräfte und deren Resultate
dargestellt. Es handelt sich um eine vornehmlich ökonomisch-statistische
Analyse, keineswegs um eine Sozialgeschichte der Lage der
Zwangsarbeitskräfte unter dem Nazifaschismus. Im Unterschied zum Gutachten,
wo der Versuch unternommen werden musste, die zu leistenden
Entschädigungszahlungen jenen Hauptgruppen zuzuordnen, die als
Zahlungspflichtige anzusehen waren, der privaten Wirtschaft und der
öffentlichen Hand, konnte dieser Aspekt nach der Verabschiedung des
Stiftungsgesetzes (August 2000) weitgehend außer Betracht bleiben. Deshalb
wird der Raub nicht so sehr unter dem Gesichtspunkt "zusätzlicher Einnahmen
und Gewinne“ betrachtet, sondern vielmehr unter dem seiner Dimensionen und
Wirkungen im makroökonomischen bzw. volkswirtschaftlichen Kontext.
In einem dritten Teil werden aktuelle – ökonomische, politische wie
ideologische – Hintergründe der in den Jahren1999/2000 geführten
Auseinandersetzungen um das Problem der Entschädigungen dargestellt, die
Aktivitäten der Beteiligten, soweit sie bislang bekannt geworden, aber auch
die Inaktivität der unbeteiligt Gebliebenen. Er erhellt damit die
wichtigsten Ursachen für die ungeheure Diskrepanz zwischen dem
nachgewiesenen Entschädigungsanspruch und den zugewiesenen Brosamen vom
Herrentisch.
>>>Brosamen
vom Herrentisch
Erste Auflage, Verbrecher Verlag Berlin 2004,
www.verbrecherei.de
© Thomas Kuczynski 2004 Gestaltung, ISBN : 3-935843-37-2
-
Thomas Kuczynski: Entschädigungsansprüche für Zwangsarbeit im "Dritten Reich "
auf der Basis der damals erzielten zusätzlichen Einnahmen und Gewinne. Das
vollständige Gutachten wurde (ohne die vorangestellte und für den schnellen
Leser gedachte Zusammenfassung) abgedruckt in: 1999. Zeitschrift für
Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Jg. 15, H. 1 (März 2000), S.
15-63.
Die Zusammenfassung erschien am Tage nach der Vorstellung des Gutachtens in
der Bundespressekonferenz (unwesentlich gekürzt und mit dem redaktionellen Titel
"Den Zwangsarbeitern stünden 180 Milliarden Mark zu versehen" in der
Süddeutschen Zeitung, München, Jg.55, Nr.265 (16.11.1999), S. 14.
-
Siehe Zwei Gutachten zur Entschädigungsfrage. Redaktionelle Vorbemerkung, in:
1999, H. 1/2000, S. 12.
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Zit. nach Ulrich Sander: Wenigstens den entgangenen Arbeitslohn. In: Neues
Deutschland. Berlin, Jg. 54, Nr. 291 (13.12.1999), S. 2. - Zur Biographie des
wenig später (am 22. Dezember 1999) Verstorbenen siehe Hans Frankenthal:
Verweigerte Rückkehr. Erfahrungen nach dem Judenmord. Frankfurt/M. 1999, sowie
den Nachruf von Hans G Helms: Ein Mensch voller Zorn und Liebe. In: junge Welt.
Berlin, Jg. 53, Nr. 302 (27.12.1999), S. 13., 169
-
Burkhard Heß: Völker- und zivilrechtliche Beurteilung der Entschädigung für
Zwangsarbeit vor dem Hintergrund neuerer Entscheidungen deutscher Gerichte. In:
Entschädigung für NS-Zwangsarbeit. Rechtliche, historische und politische
Aspekte. Hg. v. K. Barwig, G. Saathoff u. N. Weyde. Baden-Baden 1998, S. 69.
-
Siehe etwa Cornelia Rauh-Kühne: Hitlers Hehler? Unternehmerprofite und
Zwangsarbeiterlöhne. In: Historische Zeitschrift, Bd. 275 (2002), H. 1,S.
l-55.-Das Fragezeichen in der Überschrift sagt alles über den Standort der
Autorin aus, auch wenn sie selber meint, ihr Beitrag ,postulier[e] keine
Rehabilitierung der tief in NS-Unrecht verstrickten Unternehmen im .Dritten
Reich" {ebenda, S. 55).
-
TrialofWar Criminals before the Nuremberg Military Tribunals under Control
Council LawNo. 10. Vol. VI: The Flick Case. Washington 1949, S. 1187.
- Zitate aus der Präambel (einschl. der Hervorhebungen) nach der
Internetseite der Stiftung (http://www.stiftungsinitiative.de).
[FORUM]
hagalil.com 20-10-04
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