Fachbereich Bibel/ Religion/ Philosophie:
10 Jahre jüdische Oberschule Berlin
Im September 2003 konnte die jüdische
Oberschule das
10jährige Jubiläum ihrer Wiedereröffnung
feiern. Aus diesem Anlaß wurde eine Festschrift publiziert. Dr. Abraham
Ehrlich, der Fachbereichsleiter für "Bibel / Religion / Philosophie"
beschreibt, welche Aufgaben dieser Fächerkombination in einer jüdischen
Schule in Deutschland heute zufallen.
Die Jüdische Oberschule (JOS) ist seit
ihrer Gründung 1993 bis zum heutigen Tage die einzige ihrer Art in
Deutschland. Die JOS ist eine allgemeine, staatlich anerkannte Privatschule
mit einem jüdischen Profil (keine Religionsschule oder Jeschiwa). Dazu
gehören eine koschere Küche, die Anpassung des Schulrhythmus an den
jüdischen Kalender wie auch die Integrierung der Fächer Bibel, Religion,
jüdische Philosophie und Hebräisch in das übliche Fächerprogramm.
Aufgrund ihrer sozialen Zusammensetzung
kommt der Schule ein besonderer Charakter und dem Fachbereich
"Bibel/Religion" eine besondere Stellung zu. Diese Stellung ergibt sich
durch die ihm zugefallene Aufgabe: Die umfassende Darstellung der Welt des
Judentums! Damit wird ein Auftrag- und Aufgabenumfang bestimmt, der weit
über den eines "üblichen Faches" hinaus geht. Begriffe und Themen wie
Jüdische Identität, Jüdische Kultur, Integration versus Assimilation, die
jüdische Religion und andere Religionen, das Judentum und der Staat Israel
usw. bezeichnen nicht einfach den zu lernenden Stoff, sondern Begriffe und
Themen, die für die Schüler von großer persönlicher Bedeutung sind.
Der oben angedeutete Weg beginnt in der
Mittelstufe mit der Vermittlung des Inhalts der Bibel und den Grundzügen des
jüdisch-religiösen Lebens (zwei Stunden Bibel, eine Stunde Religion und in
der 10. Klasse eine Stunde Einführung in die Philosophie). Dazu gehören die
Geschichte des Volkes Israel in der biblischen Zeit und die internen
Auseinandersetzungen, die diese Geschichte begleitet haben, die Bestimmung
der Stellung des Volkes Israel im Rahmen der Völker der Welt, sowie die
geographische Bestimmung des Landes Israel. Dabei offenbart sich die
monotheistische Glaubensdimension der Bibel im weltanschaulichen wie im
praktischen Sinne. Einerseits zu erkennen, dass die religiöse Praxis des
Judentums völlig in der Bibel verankert ist, andererseits aber zu erkennen,
dass sie von vielen durch Zeit und Ort bestimmten Bräuchen umhüllt ist, ist
eine wichtige Aufgabe dieser Stufe. Der Zyklus der jüdischen Feiertage
liefert genügend Raum für die Erfüllung dieser Aufgabe. Dem jüdischen Gebet
wird während eines Schuljahres eine zusätzliche Stunde gewidmet. So wird
insgesamt die Grundlage geschaffen, die den Schülern die Wahrnehmung der
Wichtigkeit der Bibel für die Entwicklung des Judentums bis zum heutigen
Tage ermöglicht und sie somit in die Lage versetzt, in unserer Zeit ihre
Orientierung zu finden.

Graffiti-Chanukia -
Schülerarbeit
Jüdische Oberschule
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In der Oberstufe wird in Grund- und
Leistungskursen (vier bis fünf Stunden wöchentlich) die nachbiblische
Geschichte weiter verfolgt. Dabei wird auf die geistige Entwicklung des
Judentums ein besonderer Wert gelegt. Die nachbiblische Auseinandersetzung
um die Gestaltung des Judentums als eine strenge monotheistische Religion
entfaltet sich in verschiedenen literarischen Formen, z.B. im Talmud. Die
Auseinandersetzung des Judentums mit anderen Religionen hat ihrerseits dazu
geführt, dass vielfältige philosophische Schriften verfasst wurden, welche
die Bestimmung der jüdischen Identität in der sich wandelnden Zeit zum Thema
haben. Dazu gehören unter anderem Schriften von Maimonides, Josef Albo,
Baruch Spinoza, Moses Mendelssohn, Franz Rosenzweig, Hermann Cohen, Leo
Baeck, und Martin Buber. Hier ist auch der Ort, an dem praktisch-religiöse
Themen vertieft werden können, wie etwa die Erörterung der verschiedenen
Probleme der medizinischen Ethik aus der Sicht des Judentums, die Rolle der
Frau im Judentum usw. Auch die Frage nach der jüdischen Existenz nach der
Schoa, wie die Frage nach der messianischen Erwartung und die Rolle des
Staates Israel in ihr markieren die letzte Etappe des Weges, der in der
Mittelstufe begann und eventuell mit einer Abiturprüfung in diesem Fach
enden wird.
Aus: Festschrift, 10 Jahre jüdische
Oberschule, 225 Jahre jüdische Schule in Berlin, S. 80 f,
Hrsg: Jüdische Oberschule zu Berlin, 2003
Zum
Weiterlesen:
10 Jahre jüdische Oberschule
(mit vielen Fotos)
Jüdische Volkshochschule (JVHS) Berlin
Touro-College
Rundgang: Orte jüdischen Lernens und Lehrens
Rabbiner in Berlin
Hochschule für die Wissenschaft des Judentums
1872 - 1942
Pionierinnen jüdischen Lernens
- Frauen an der Hochschule für die
Wissenschaft des Judentums
Die jüdische Waldschule Kaliski 1932 - 1939
hagalil.com
23-10-03
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