Vom Anbeginn zum Neubeginn:
Jüdisches Leben in Pankow
Die Ausstellung der VVN-BdA Berlin-Pankow e. V. stellt
auf 40 Bild- und Texttafeln anhand von Fotos, Dokumenten, Statistiken und
Chroniken exemplarisch Leben und Wirken, aber auch Schicksale jüdischer
Bürgerinnen und Bürger eines Berliner Stadtbezirkes dar.
Dabei wird gezeigt, "dass sich jüdische Geschichte nicht
nur den Holocaust reduzieren läßt - auch wenn dieser schrecklichste
Abschnitt der deutschen Geschichte die Pankower Juden am nachhaltigsten
geprägt hat und dies bis heute noch tut", so Frau Dr. Inge Lammel, die
Autorin der Ausstellung.
Beginnend mit in Akten aufgefundenen frühen Spuren
jüdischen Lebens wird an prägnanten Beispielen gezeigt, wie sich seit der
Mitte des 19. Jahrhunderts jüdische Ärzte, Handwerker und Gewerbetreibende
in Pankow ansiedelten. Jüdische Familien lebten hier in mehreren
Generationen, auch als Geschäftsleute, Händler und Künstler. Aufgrund ihres
humanen Wirkens, ihrer qualifizierten Arbeit und ihrer Kompetenz erwarben
sie sich Vertrauen und Ansehen auch unter ihren nichtjüdischen Mitbürgern -
bis zu der Zeit, als sie - nach 1933 - aus dem öffentlichen und beruflichen
Leben ausgegrenzt, diskriminiert und verfolgt wurden.
Dokumentiert sind die über den ganzen Stadtbezirk
verstreuten Geschäfte, Werkstätten, Wirtschaftseinrichtungen und
Produktionsbetriebe; ausführlich wird die anerkannte Fachkompetenz einer
Vielzahl hoch qualifizierter jüdischer Ärzte gewürdigt.

Einschulung der 8. Mädchenklasse der 6. Volksschule, 1930
Zu sehen sind Klassenfotos aus Pankower Schulen mit
jüdischen Mitschülern, die diese nur bis etwa Mitte der dreißiger Jahre
besuchen durften, sowie jüdische Lehrer, die aufgrund der antisemitischen
Rassegesetzgebung der Nazis ab 1933 aus dem allgemeinen Schuldienst verbannt
wurden. Bis 1942 durften sie nur noch an jüdischen Schulen unterrichten.
Das religiöse Leben in Pankow vollzog sich in den Familien
sowie in den Synagogen und Betstuben. Seit der Gründung des jüdischen
Religionsvereins "Agudath Achim" 1895 fanden dort regelmäßige Gottesdienste
statt. Bis 1940 existierten Betstätten in unterschiedlichen Gegenden
Pankows, auch in Wohlfahrtsheimen.

Von Josef Garbáty gestifteter Toravorhang aus rotem
Samt im Betsaal des Jüdischen Waisenhauses |
Einen Schwerpunkt jüdischen Lebens bildeten die vielen
Sozialeinrichtungen, die seit 1882 in Pankow und Niederschönhausen errichtet
wurden: Das II. Waisenhaus der Jüdischen Gemeinde in der Berliner Straße,
das jüdische Mädchenhaus in der Mühlenstraße, das Lehrlingsheim, ebenfalls
in der Mühlenstraße, das Säuglings- und Kleinkinderheim in der heutigen
Wilhelm-Wolff-Straße, ein Altersheim für jüdische Taubstumme in der heutigen
Tschaikowskistraße sowie andere Einrichtungen.
Ein größerer Abschnitt der Ausstellung ist der
Entrechtung, Verfolgung und Vernichtung jüdischer Bürger und Familien durch
die deutschen Faschisten gewidmet - angefangen von Berufsverboten und dem
Verlust des Eigentums an Arbeitsstätten und Wohnungen über die Auswirkungen
des Pogroms vom November 1938 bis zu den Verhaftungen durch die Gestapo und
der darauf folgenden Deportationen in Ghettos und Vernichtungslager.
Vorgestellt werden jüdische Pankower Widerstandskämpfer sowie die
uneigennützigen Hilfe durch Bürger und kirchliche Einrichtungen für
verfolgte Pankower Juden.

Jüdische Kennkarte von Paula Wünsche
Nach der Befreiung vom Faschismus konnten einige
Überlebende aus den Konzentrationslagern und aus der Illegalität wieder in
Pankow Fuß fassen. Daneben kehrten jüdische Emigranten aus dem Exil nach
Deutschland zurück, in Pankow siedelten sich vor allem Künstler und
Schriftsteller an.
588 jüdische Pankowerinnen und Pankower wurden in den
Jahren 1941-43 nach Riga, Lodz, Minsk, Trawniki, Kowno, Theresienstadt und
Auschwitz deportiert. 256 von ihnen starben allein in Auschwitz. Ihre Namen
sind in einer zur Ausstellung gehörenden Gedenkliste zu lesen.
Die Ausstellung im Internet:
http://www.juedisches-leben.de
Aktuelle Ausstellung:
16. November 2005 - 14. Dezember 2005
Robert-Havemann-Oberschule, Achillesstraße 77-79, Berlin-Karow
Die Ausstellung ist jeweils während der Öffnung des Schule (Montag bis
Freitag - 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr) zu besichtigen. Um telefonische
Voranmeldung wird unter +49 30 94 878 511 gebeten. Der Eintritt ist frei.
hagalil.com
16-11-05
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