Berlinale
2004 - 27. Kinderfilmfest:
Die wundersame Welt des David Wiseman
Von Iris Noah
Seit 27 Jahren gibt es auf der Berlinale
ein Kinderfilmfest, das auch dieses Jahr wieder hoch interessante Filme
bringt. Neu ist eine Reihe für Jugendliche unter dem Titel "14plus". Über
350 Filme wurden eingereicht und gesichtet. Eine eigene Kinderfilmfestjury,
die aus Kindern zwischen elf und vierzehn Jahren besteht, wählt den Gewinner
des "gläsernen Bären" aus. Durch Sponsoren ist es möglich, daß die
Regisseure und Hauptdarsteller eingeladen werden. Nach der Filmvorführung
besteht für interessierte Kinder die Möglichkeit diese zu befragen. Die
ausländischen Filme werden eingesprochen.
Der diesjährige Eröffnungsfilm war "Die
wundersame Welt des David Wiseman" (Wonderous Oblivion), ein Film der zu
Beginn der 1960iger Jahre in einem kleinbürgerlichen Viertel in London
spielt. David Wiseman (11 Jahre) ist ein absoluter Kricketfan. Er sammelt
Starbilder von Kricketspielern. Ganze Nachmittage verbringt er mit
Mannschaftsaufstellungen und möglichen Spielverläufen. Sein großer Traum ist
es, in der Schulmannschaft mitzuspielen. Ihm bleibt nur der Platz an der
Anzeigentafel, denn in der Kricketpraxis ist er eine Niete.
Im Nachbarhaus zieht eine schwarze Familie
aus Jamaika ein, die im Minigarten - ein Bruch mit den ungeschriebenen
Gesetzen - die Rosenstauden ausbuddelt und ein Kricketnetz aufspannt. Und
nicht nur das: Sie sind absolute Profis. Davids Eltern sind Flüchtlinge aus
Nazi-Deutschland. Sie gehören im Viertel nicht dazu und werden von den
Nachbarn aufgefordert sich "wie gute Engländer zu benehmen", was in diesem
Fall heißt, Abstand zu halten. Die Anweisungen des Vaters sind klar: "Du
grüßt sie. Wenn du gefragt wirst, antwortest du. Wir haben nichts gegen sie,
aber wir verkehren nicht mit ihnen. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?"

David nickt, aber das Interesse an den
Neuankömmlingen und am Kricket ist größer. Eine Freundschaft mit der etwa
gleichaltrigen Judy entsteht, die weit über das gemeinsame sportliche
Interesse hinausgeht. Sie hat vorher bei der Großmutter in Jamaika gelebt
und erfährt in der Schule als schwarzes Kind massive Ablehnung. Auch die
Familien freunden sich an, bis es am 12. Geburtstag von David zum Bruch
kommt. David hat enorme Fortschritte durch das gemeinsame Kricket-Training
gemacht. Er wird inzwischen sogar bei überregionalen Spielen aufgestellt und
hat bei den Sportkameraden Freunde gefunden, die er zum Geburtstag einlädt.
Judy, die mit einem Geburtstagsgeschenk an der Tür klingelt, wird von ihm
nicht hereingelassen sondern nach Hause geschickt... Mehr soll an dieser
Stelle nicht verraten werden.
Paul
Morrison ist es gelungen, in diesem Film die Geschichte zweier Kinder zu
erzählen, die unterschiedlichen Minderheiten angehören - und das in einer
Zeit, wo Großbritannien noch keine multikulturelle Gesellschaft war und
denen, die nicht zur alteingesessenen Bevölkerung gehörten, massive
Vorurteile entgegenschlugen. Die Besetzung der Rollen ist hervorragend und
besonders bei den beiden Kindern in den Hauptrollen - heute im realen Leben
14 und 15 Jahre alt - darf man auf zukünftige Filme gespannt sein. Der Film
steht in der Tradition sozialkritischer englischer Filme wie "East is East"
oder "Billy Elliot - I will dance", und man sollte ihn keinesfalls
verpassen, denn er ist noch besser.
Im Zoopalast wollte jedenfalls der Applaus
nicht enden, und viele fanden noch den Weg zum Nachgespräch mit den beiden
Kinderdarstellern und dem Regisseur. Hier sind einige Fragen von den
Kindern:
Spielt ihr in echt auch Kricket:
David:
Etwas. Mich interessiert Kricket schon, aber ich bin nicht besonders gut
darin.
Judy:
Nein, ich bin ziemlich unsportlich.
Musstet ihr für den Film die
Kricketregeln lernen?
David:
Kricket hat ziemlich schwierige Regeln. Einen Überblick sollten wir schon
haben, aber wir mußten die Regeln nicht im Detail lernen. Wir hatten einen
Coach, der uns vorbereitet hat.
Judy:
Man muß wissen, wie man den Schläger hält, auf was man beim Schlagen achtet
und einige Grundbewegungen.
Wie lange hat es gedauert den Film
zu drehen und wo ist er gemacht worden:
Paul Morrison:
Wir haben acht Wochen gedreht. Einige Szenen wurden in London gedreht, aber
das meiste im Studio.
Wie lange dauerte die Maske?
Judy:
Meistens so um die zehn Minuten. In Szenen, wo ich in Shorts zu sehen bin
war es etwas länger, denn da mußte mehr gemacht werden.
(Anmerkung: Judy ist im Film - wegen
der Schauspieler, die ihre Familienangehörigen spielen - dunkler als im
realen Leben)
David:
So etwa 10 Minuten. Nur mit den Haaren war es schwieriger. Sie waren getönt
und mussten manchmal nachbehandelt werden. Außerdem waren im Studio hunderte
von Glühbirnen, deshalb war es sehr heiß.
Wenn das meiste im Studio gedreht
wurde, wie ging das dann mit dem Regen?
Paul Morrison:
Dafür gibt es eine Regenmaschine. Das muss man sich vorstellen wie bei einem
riesigen Gartenschlauch.
Welche Religion hatte die schwarze
Familie?
Judy:
Das waren Christen.
Und wie wurde das Feuer gemacht als
das Haus von der schwarzen Familie brannte?
Paul Morrison:
Da wo das Feuer am Haus hinaufloderte und an den Kricketnetzen waren vorher
Gasleitungen verlegt worden. Die Küche ist aber wirklich abgefackelt worden.
Rund um die Dreharbeiten standen ganz viele Feuerwehrleute um löschen zu
können.
Wie habt ihr das gemacht, dass die
Kricketspieler auf den Starpostkarten von David sich bewegt haben?
Paul Morrison:
Wir haben erst die Bilder mit
den weißen Rahmen und dem Kricketrasen gefilmt. Dann haben wir die Szenen
mit den Spielern gefilmt und die mit Computer auf die Starpostkarten
übertragen. Wenn also David sich mit den Kricketspielern auf seinen
Starpostkarten unterhält und ihnen Spielanweisungen gibt, saß er real beim
Drehen vor den leeren Karten.
Welche Szene war am schwierigsten:
Judy:
Für mich war die Szene am schwierigsten, wo ich David erzähle, wie ich in
der Schule von den anderen schlecht behandelt werde.
David:
Ich fand es am schwierigsten in die Szene hineinzufinden, wo ich mich bei
Judy entschuldige. Das war schon ziemlich am Schluss der Dreharbeiten und
wir hatten nicht mehr viel Zeit. Deswegen war klar, dass wir nicht mehr
viele Takes machen konnten.
Sprecht ihr Sprachen außer
englisch:
Judy:
Etwas französisch
David:
Ich lerne Französisch und Spanisch.
Habt ihr vorher schon andere Filme
gedreht:
Judy:
Ich habe schon Werbespots gemacht und im Theater gespielt
David:
Ich habe bei "Tom Sawyer" (eine Fernsehproduktion) mitgespielt und vier
kleinere Rollen gehabt.
Könnte man den Film auch heute
drehen?
Paul Morrison:
Ja, aber wir haben uns bewusst für eine Zeit entschieden als Großbritannien
noch kein Einwanderungsland war.
Die wundersame Welt des David Wiseman
(Wonderous Oblivion)
Regie: Paul Morrison
Darsteller: Sam Smith (David) und Delroy Lindo (Judy)
Grossbritanien, 106 '
empfohlen ab 7 Jahren
Wiederholung auf der Berlinale:
8. Februar 16.00 h Filmtheater am Friedrichshain und 15. Februar 16.00 h
Zoopalast
Filme zu jüdischen Themen, Israel / Nahost
und Minderheiten finden Sie
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Mittlerweile
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06-02-04
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