Ich
bin ein Doktor auf Expedition:
Eva Reich – Tochter
eines berühmten VatersVon Gudrun
Wilhelmy
Eva Reich wurde 1924 in Wien als Tochter
von Annie Pink und dem Psychiater Wilhelm Reich geboren. Die 80jährige
erinnert sich an einen Kindheitstraum, sie sah sich selbst als Lebensentwurf
"Ich bin ein Doktor auf Expedition". Daraus hat Heidrun Moessner einen
Dokumentarfilm gemacht, der bei der Berlinale 2004 herausragt.
Eva
Reich erzählt temperamentvoll und reflektierend über ihre von dramatischen
Ereignissen überschattete Kindheit und Jugend. Die Trennung der Eltern mit
allen bekannten Begleitumständen war für die Tochter auch eine Trennung vom
Vater, die sie nicht wollte. Eva Reich ist gerade sechs Jahre alt und
bereits drei Jahre danach wird sie mit ihrer nur fünfjährigen Schwester in
Prag in einen Zug nach Wien gesetzt. Allein fahren die beiden Schwestern
zurück zu den Großeltern in Sicherheit. Die Eltern waren auf der Flucht vor
den Nazis bereits Jahre zuvor schon nach Prag geflohen, galten sie dem
Regime doch als Kommunisten und waren zudem beide jüdisch. Hier macht Eva
Reich ihre erste antisemitische Erfahrung, die sie ganz persönlich meint und
"allein und unverteidigt" trifft, wie sie im Film sagt.
Aber sie spart auch nicht mit Kritik an
beiden Eltern und spricht von einer "Gehirnwäsche" durch beide. Der Vater
verbot ihr alles Mystische und Religiöse und die Mutter brachte sie dazu
Ärztin und nicht Mathematikerin zu werden. Nicht jedoch ließ sie sich von
ihr abhalten, nach der nächsten Flucht in die USA (1938), den Vater in New
York zu besuchen. Ihre Liebe zu ihm blieb über alle Jahre hinweg
ungebrochen. Sie heiratet, studiert und wird schließlich Assistentin ihres
Vaters, weil es sonst niemand bei ihm aushalten kann. Eine seiner
diktatorischen Bedingungen: Die Trennung vom Ehemann.
Doch auch in den USA wird der Vater
verfolgt und zunächst 1941 als "enemy alien" interniert. Während der
McCarthy-Ära (1947-1954) wurden ihm nicht nur seine früheren Kontakte zu
Kommunisten vorgeworfen, sondern insbesondere seine alternativen
Behandlungsmethoden. Das in dieser Zeit erworbene Wissen über Orgontherapie,
Krebs und über die Gefährlichkeit radioaktiver Strahlungen setzt sie später,
nach dem Tod des Vaters 1957 im Gefängnis, insbesondere bei der Geburtshilfe
und alternativer Geburtsmethoden ein.
Heidrun Moessner ist mit ihrem sensiblen
Portrait das Bild einer Frau gelungen, die sich wohl noch heute als "Soldat
für das Leben" versteht. Mit großer Eindringlichkeit und Sachverstand wird
eine Frau vorstellt, die eine der Wegweiserinnen für sanfte Geburt wurde und
heute viele Schülerinnen und Schüler auf der ganzen Welt hat: Eine Frau, für
die alternative Lebensweise Alltag ist, den sie selbstverständlich lebt und
vorlebt. Eine Frau, die kein Alter zu haben scheint, weil sie sie selbst
geblieben oder wieder geworden ist.
Es bleibt zu hoffen, dass diese
professionelle Arbeit einen Verleih und Zuschauer findet.
Zur Berlinale 2004
hagalil.com
19-02-04
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