Berlinale
2004:
Country of My Skull
Von Gudrun Wilhelmy
Unter der Oberfläche der Gesellschaft
der Weißen liegt eine Folterkammer. Ihre Existenz und ihre Zugänge sind nur
selbst wenigen Weißen vertraut und ihren Opfern, die daraus niemals wieder
lebend herauskommen. Noch bis vor zehn Jahren war dies der bedrohliche
Alltag in einem Südafrika das politisch und sozial eine umfassende
"Rassentrennung" - der "Apartheid" diktierte. "Country Of My Skull", im
Wettbewerb der Berlinale 2004, beginnt mit dem Ende der Apartheid, der
Befreiung Nelson Mandelas und dem Beginn eines Neuanfanges in einem Land,
das auf "Umbutu" setzte.
Ann Malan, packend und authentisch gespielt
von Juliette Binoche, ist als Weiße in Südafrika geboren, verheiratet, drei
Kinder und ist eine bekannte Dichterin. Sie bekommt den Auftrag eines
Radiosenders, über die Hearings zu berichten, die die Kommission für die
Offenlegung der Verbrechen, durchführt. Mit dem gleichen Auftrag einer
großen amerikanischen Zeitung kommt Langston Whitfield (Samuel Jackson) nach
Südafrika.
Die Aussagen während der Hearings sind so
wiedergegeben, wie sie Antjie Krog in ihrem Buch aufgezeichnet hat. Sie
konfrontieren Anna mit Wahrheiten, bei denen sie irgendwann vollkommen außer
Kontrolle gerät und ihre Emotionen nicht mehr beherrschen kann. Nicht anders
geht es Langston, der seine ganze Wut über Rassendiskriminierungen in den
USA hier für schwarze Afrikaner einsetzt und erreicht, dass die Nachrichten
in den USA auf der ersten Seite erscheinen. Seine Gespräche mit dem
schlimmsten Täter von allen, De Jager (Brendan Gleeson hier in der Rolle
eines teuflischen Menschen, und noch zu sehen in Cold Montain in der Rolle
des Vaters von Ruby), zeigen einen von der Richtigkeit seiner Taten noch
immer überzeugten Täter. Ein Problem, das mit dem Regime nicht verschwindet.
Ihnen zur Seit steht Dumi (eigentlich
studiert Menzi Ngubane in Südafrika Tontechnik, aber sein Spiel ist
umwerfend), der Langston zeigt, wie man "Umbutu" lebt während Anna es ihm
erklärt: "Alles, was du jemanden in dieser Welt antust, tust du auch einem
dritten an und dir selbst. Wir sind alle miteinander verbunden." Das ist für
einen US-Amerikaner nicht einfach zu begreifen, doch Langston öffnet sich
dem Land. Anna und Langston kommen sich sehr nahe durch die gemeinsame
Arbeit und ihre aufrichtige Teilnahme und Anteilnahme an der Aufarbeitung
dieser Verbrechen.
Aber wenn "nur wer die Wahrheit sagt,
geheilt werden kann", wie Menzi Ngubahne auf der Pressekonferenz betont, so
muss auch Anna mit der Beteiligung an solchen Taten im eigenen
Familienkreise und der diskriminierenden Haltung von Freunden und Bekannten
gegenüber Schwarzen, sich dieser schmerzlichen Wahrheit stellen. So gesteht
sie auch ihrem Ehemann ihr Verhältnis mit Langston.
Einzelne Szenen sind sehr berührend, die
Erzählungen erlittenen Leids sind eine Kette von Grausamkeiten, und die
Antworten der Täter? Wir kennen den Kanon dieser Antworten alle. Man muss
sie nicht wiederholen. Entscheidend ist, dass Südafrika darauf eine anderen
Antwort gibt: Vergebung.
Ein bis zur letzten Minute packender Film.
Regie: John Boorman
Großbritanien, 100'
Drehbuch: Ann Peacock nach dem Buch von Antje Krog
Kamera: Seamus Deasy
Schnitt: Ron Davis
Makse: Allan A. Apone (und danke für den Mut von Juliette Binoche sich zu
zeigen, wie eine Frau aussieht, wenn sie wirklich vollkommen fertig ist)
Produktion: Robert Chartoff und Lynn Hendee
Darsteller:
Juliette Binoche als Anna Malan
Samuel Jackson als Langston Whitfield
Brendan Gleeson als De Jager
Menzi Ngubane als Dumi
Nick Boraine als Jack Marlon
Lionel Newton als Edward Morgan
Sam Ngakane als Anderson
und viele andere, die genannt warden müssten.
8. Februar 12.00 h, 18.30 h Royal, 22:30 h
International
9. Februar 18.00 h, HKW 2 Theatersaal
15. Februar 12.30 h Berlinale Palast
Filme zu jüdischen Themen, Israel / Nahost und
Minderheiten auf der Berlinale 2004
und Filmkritiken finden Sie während der Berlinale auf der Startseite von
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08-02-04
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