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Berlinale 2004:
Retrospektive Sam Spiegel Film & Television School Jerusalem

Von Iris Noah

Seit 14 Jahren bildet die Sam Spiegel Film & Television School Jerusalem für alle Bereiche des Filmschaffens aus: Regie, Kameraführung, Drehbuchschreiben etc. Zahlreiche Produktionen wurden in den letzten Jahren bei der Berlinale eingereicht. Um diese Einrichtung, die ein außerordentlich hohes Ansehen genießt, zu ehren wird ihr eine Retrospektive gewidmet. "Jeder Mensch hat Geschichten, aus denen man einen Film drehen könnte - auch Sie im Publikum. Wir ermutigen unsere Studenten, ihre Geschichten zu erzählen" - so der Direktor der Schule.

Sieben Kurzfilme aus den Jahren von 1992 bis 2003 wurden gezeigt. Zwei wurden nach dem zweiten Studienjahr produziert, die anderen waren Abschlussarbeiten. Die Mitwirkenden - teilweise renommierte Schauspieler in Israel - erhalten keinerlei Bezahlung, sondern sie müssen durch die Qualität des Skripts überzeugt werden. Außerordentlich sind die Filme nicht nur in ihrer Machart, sondern auch in der Art und Weise, wie sie ungewöhnliche Themen und persönliche Lebenswege in einer eindrucksvollen Bildsprache beschreiben.

Der 2003 fertig gestellte Film "Ein anderer Krieg" (A Sifferent War / Milchama Aheret) von Nadav Gal läuft auch im Kurzfilmprogramm IV.

Nebitara
Regie: Ron Goldman
Israel 1998, 15 Minuten
mit Omer Moysa, Shlomo Bassan, Flora Landman

Schachar hat ein sehr inniges Verhältnis zu seinem Großvater. Sie spielen miteinander Schach, machen viele Ausflüge und teilen das Interesse für alte Münzen. Schachars Mutter ist bereits nach Amerika ausgewandert, Schachar wird ihr bald nachfolgen, würde aber sehr gern bei seinen Großeltern bleiben. Für den letzten gemeinsamen Tag mit dem Großvater wünscht er sich einen Ausflug nach Nebitara, wo sie so oft alte Münzen gefunden haben. Doch an diesem Tag entsteht ein Bruch in dieser vertrauten Beziehung. Wie wird Schachar Abschied nehmen? Mit großem Einfühlungsvermögen gelingt es Ron Goldman, die Situation eines Jungen nachzuzeichnen, der seine Heimat verlassen muss ohne sich dafür entschieden zu haben und einer schmerzlichen Wahrheit ins Auge sehen muss.

Beduinen Sand (Chol, Bedouin Sand)
Israel, 1997, 17 min
Regie: Omri Levy
mit Shmil Ben-Ari, Neta Moran, Eliah Yachin

Roy hat mit seinen Eltern und dem älteren Bruder einen Tag auf der Sinaihalbinsel am Meer verbracht. Während der Vater das Zelt und die anderen Utensilien zusammenpackt, taucht ein Beduine mit Kamel auf, der Roy eine Flasche mit gefärbten Sand verkaufen will. Der Vater ist genervt, weil eine weite Heimfahrt bevorsteht und er nicht in der Nacht fahren will. Um den Jungen möglichst schnell ins bereitstehende Auto zu bekommen, macht er ihm - aus seiner Sicht - ein vages Versprechen. Roy besteht darauf, dass der Vater sein Versprechen halten muss. Während der Vater nun versucht an Sand zu kommen, die Mutter eine Zigarette raucht und der ältere Bruder döst, macht sich Roy, dem das alles nicht schnell genug geht, selber auf den Weg und gerät in militärisches Sperrgebiet. Wird es dem Vater gelingen ihn zu retten? Und wie ist das mit einem Versprechen? Muss man es unter allen Umständen halten und kann man es unter allen Umständen einfordern? Wie kommen die beiden aus dieser prekären Situation heraus?

Seepferdchen (Susei Yam, Sea Horses)
Regie: Nir Bergman
Israel 1998 / 18 Minuten
mit Zemer Altizer, Irit Gidron, Maya Maron

Noam hat eine Wette mit sich abgeschlossen: Wenn es ihm gelingt, um die ganze Balkonbrüstung zu balancieren, dann wird sein Vater, der die Familie verlassen hat, wieder zurückkommen. Seine kleine Schwester Ayala ist sicher, dass der Vater ihr Seepferdchen mitbringen wird, sobald er zurückkommt. Die große Schwester Ronit ist sehr verliebt und ihr scheint die Situation nicht so nahezugehen. Am Abend kommt die Mutter nach Hause und erzählt den Kindern, daß sie eine Arbeit in einer anderen Stadt gefunden hat und alle - ohne den Vater - umziehen werden. Die Reaktionen der Kinder sind ganz unterschiedlich. Nir Bergman - in deutschen Kinos durch seine Regiearbeit "Broken Wings" bekannt geworden - zeichnet die Vielschichtigkeit einer Trennungssituation nach. Ohne über das Schwere, das für jedes Familienmitglied anders aussieht, hinwegzugehen, wird deutlich, dass in dieser Veränderung eine Chance für einen Neuanfang liegt.

Denen zeig ich's (She'tari - Showing Them)
Israel 1992, 6 Minuten
Regie: Sivan Arbel
mit Orli Barak

Das kleine Mädchen interessiert sich für den Unterschied zwischen den Geschlechtern. Drei Nachbarjungen bringt sie dazu, ihr zu zeigen, was bei ihnen anders ist. Noch bevor die sich im Gegenzug von ihren nackten Tatsachen überzeugen können, sucht sie das Weite. Verflixt nur, dass sie ein sehr kurzes Kleidchen trägt und der Mutter die Wäscheleine halten muss, was den Jungen nicht entgeht. Aber schließlich findet sie ihren Weg, es denen zu zeigen - oder auch nicht. Ein spritziger kleiner Film über eine Alltagssituation und eine ungewöhnliche Lösung ist Sivan Arbel hier gelungen.

Wechselgeld (Mashe'hoo Ba'al Erech, Small Change)
Regie: Dorit Hakim
Israel 1997, 11 Minuten
mit Uri Klausner, Sal'it Ahi-Miryam, Daniel Moskowitz

Hagari und ihr kleiner Bruder Uri sind mit ihrem Vater Maurice und dessen neuer Ehefrau unterwegs. Nach dem Tanken bemerkt Maurice, dass er kein Geld dabei hat. Der Tankwart besteht aber darauf, dass er einen Wertgegenstand als Pfand zurücklässt, aber er findet keinen. Schließlich kommt er auf die absurde Idee, Hagari zu verpfänden. Die weist dieses Ansinnen schreiend und tobend zurück. Was können Eltern ihren Kindern zumuten und wo hat familiärer Zusammenhalt seine Grenzen? Was dürfen Eltern und was dürfen sie nicht? In eindrucksvollen - teilweise beklemmenden - Bildern geht Dorit Hakim diesen Fragen nach. Schließlich kommt es zu einer unerwarteten Lösung.

Der Film wurde 1998 mit dem silbernen Löwen vom Filmfestival in Venedig, den zweiten Preis des internationalen Studentenfilmfestivals in Krakau und den Preis der Jury des Cinéma Mediterrane in Monpellier ausgezeichnet.

Striptease (Striptease)
Regie Amnon Kotler
Israel 1998, 17 Minuten
mit Seker Ofer, Zitner Lavi

Guys Mutter ist eine bekannte Schauspielerin. Deswegen geht ihr Bild immer wieder durch die Presse. Einige ältere Mitschüler in der Pubertät werden in ihren sexuellen Phantasien davon angestachelt. Zachi will ein Bild mit einer Unterschrift. Dabei bleibt es nicht. Er setzt Guy massiv unter Druck, der nicht weiß, wie er sich dagegen wehren soll und wem er sich anvertrauen kann. Er ist Zachis Grenzüberschreitungen und Machtspielen ausgeliefert. Schließlich kommt es zu einem gewaltsamen Ausbruch - eine Art Befreiungsschlag für Guy. Amnon Kotler hat das Thema Gewalt in der Schule aufgegriffen und die mögliche Dynamik einer solchen Gewaltspirale beschrieben.

Leider war der Rahmen dieser Veranstaltung nicht von gleich hoher Qualität wie die Filme.
Bei der ersten Vorführung dieser Kurzfilme waren sehr viel mehr Erwachsene als Kinder anwesend. Die Moderatorin des Nachgesprächs unterließ es, die Kinder zu Nachfragen zu ermutigen. Sie war schlecht vorbereitet und stotterte sich mit vielen "Ähms" durch die Moderation. Es kam keine einzige Frage von Kindern. Auch der Übersetzer war wenig kompetent. Er war nicht in der Lage, drei fortlaufende Sätze konsekutiv richtig zu übersetzen. Die Übersetzerin, die die Filme einsprechen sollte, leierte die Texte herunter als ob es beim Einsprechen damit getan wäre, bei Mutterrollen die Stimme etwas anzuheben.

9. Februar 16.00 h - Filmtheater am Friedrichshain
11. Februar 14.00 h - CinemaxX4

Filme zu jüdischen Themen, Israel / Nahost und Minderheiten auf der Berlinale 2004 und Filmkritiken finden Sie während der Berlinale auf der Startseite von haGalil online www.hagalil.com.

hagalil.com 10-02-04


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