Berlinale
2004:
Amos Vogel – Film als
subversive Kunst
Von Gudrun Wilhelmy
Mit seiner Dokumentation über Amos Vogel
und seine Mitstreiter, ist Paul Cronin das Portrait eines Film-Enthusiasten
gelungen, dessen mitreißende Begeisterung spürbar bleibt.
Amos Vogel wurde 1921 in Wien geboren und
war bereits früh dem Kino, wie er selbst sagt, "verfallen". Seine Flucht
1939 von den Nazis in die USA als rassisch Verfolgter gelang und er wurde
Gründer und Direktor des "Cinema 16" und späterer Mitbegründer des New York
Filmfestival. Dies war in den 50er Jahren der größte Filmclub Amerikas.
Er organisierte mit Marcia Vogel und Jack
Goelman Filmvorführungen, aus denen sich das "Cinema 16" entwickelte. Der
Name 16 leitet sich vom 16mm-Filmformat ab. Dieser legendäre
Filmvorführungsraum besteht bis heute, wenn auch jetzt als Teil einer
Schule. Darin hatten 1.600 Personen Platz. Das Programm bestand in der Regel
aus einem Mix von Experimental-, Dokumentar-, Spielfilmen und auch rein
wissenschaftlichen und politischen Filmen. Amos Vogel zeigte, dass abseits
des gefälligen und sich ständig wiederholenden Kinos ein provokantes
Filmschaffen existiert, dem leider wenig Beachtung geschenkt wird – auch auf
der Berlinale.
"Cinema 16" hatte nicht nur ein über Jahre
hinweg geschultes Publikum – das sich Vogel zu einem kundigen "erzog" -,
sondern auch weltberühmte Gäste. Hitchcock kam und Roman Polanski wurde
eingeladen aus der Gruppe der "jungen Wilden aus Polen". Vogel zeigte den
Film "Der ewige Jude" im Cinema 16, um die Technik der Nazi-Propaganda dem
amerikanischen Publikum vor Augen zu führen. Allerdings mit auf Auflage ihn
nur ein einziges Mal zu zeigen.
Amos und Marcia |
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Zwei Aufführungen pro Tag gab es im Cinema.
Wenn Besucher sagten, ihnen hätte ein Film nicht gefallen, so mussten sie
sich diesen ein zweites Mal ansehen! Über Jahre hinweg trug dieses Kino sich
selbst. Erst als die Zuschauer ausblieben und die Kosten nicht mehr gedeckt
werden konnte, gab Amos Vogel sein "Cinema 16" auf. Er lehnte staatliche
Subventionen ab, denn er wollte weiter "Sand im Getriebe der Welt" bleiben,
wie ihm Günther Kuhnert auf einer Postkarte geraten hatte. Mit einem Lächeln
sagt er im Film "All good things come to an end".
Doch da war er längst eine Berühmtheit.
Sein Buch, nach dem der Film betitelt ist "Film als subversive Kunst" wurde
in Filmkreisen und darüber hinaus zu einem Klassiker und Welterfolg.
Aufsehen erregende Film-Klassiker und "verbotene" Raritäten verschmolzen zu
in einer einzigartigen Enzyklopädie über provokantes Kino. Über 300 seltene
Fotos dokumentieren seine kenntnisreiche Schilderung vielfältiger Formen der
Subversion, die im Film möglich sind. Amos Vogel, davon kann man ausgehen,
hat alle diese Filme gesehen. Seiner Meinung nach übertreffen die
Grausamkeiten der Wirklichkeit alle darstellenden Gewaltszenen im Film, was
er immer wieder betont. An seinem Arbeitsplatz und im Archiv zeugen davon
Zeitungsausschnitte und Pressefotos, die ihn persönlich tief erschütterten.
Wir sehen ihn beim Lesen seines ersten literarischen Manuskripts, er zeigt
auf Ansichtskarten und Zeichnungen die übereinander geheftet, die Wand
bedecken - Bilderschnipsel eines langen Lebens.
Es verwundert nicht, dass Amos Vogel sich
auch als Filmemacher betätigte. Die Idee zu "Emigration N.Y." entstand, als
sich Amos Vogel und Egon Humer 1993 anlässlich der Viennale-Retrospektive
"Flucht ins Ungewisse – Österreichische Filmschaffende" zum ersten Male
trafen und über die Flucht von Amos Vogel sprachen. New York ist Schauplatz
dieses Dokumentarfilms. Vogel stellte die Kontakte zu den
Interview-Partnerinnen und Partnern her.
Und wenn Amos Vogel heute durch die Straßen
New Yorks schlendert und in die Schaufenster schaut, ist sein Blick noch
immer auf der Suche nach neuem subversiven Bilderstoff. Der Schritt ist
langsamer geworden, der Blick weiter wach und kritisch aus einem gern
lachenden Gesicht. Das Leben "als Sand im Getriebe der Welt" scheint ihm
heute noch Spaß zu machen.
Zu sehen im Internationalen Forum am
9.2. um 17:00 h im Delphi-Filmpalast, am 9. 2. 10:00 h im CinemaxX3
Film als subversive Kunst
Regie: Paul Cronin
Darsteller: Amos Vogel, Marcia Vogel, Scott MacDonald, Jack Goelman
Produktion: Sticking Place Films 2003 –
www.thestickingplace.com
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01-02-04
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