Debatte zur Flick-Collection:
Das differenzierte Finish
Im Berliner Ensemble wird die lange überfällige Debatte um die
Collection von Friedrich Christian Flick angestoßen. Die Forderung, den Mäzen
mit seiner Ausstellung ganz aus der Stadt herauszuhalten, findet allerdings
keine Fürsprecher...
wbg, taz v. 19.05.2003
In Berlin wie in Zürich zu verfahren und es Friedrich Christian Flick unmöglich
zu machen, seine Sammlung in der deutschen Hauptstadt zu zeigen - diese
Forderung wurde gestern bei der ersten öffentlichen Podiumsdiskussion zur so
genannten Flick-Collection von niemandem erhoben. Sollte der Fakt, dass der Deal
zwischen dem in der Schweiz lebenden Millionär und der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz schon längst unter Dach und Fach ist, diesen Aktivismus von
vornherein ad absurdum geführt haben?
Eher schien es so, als hätte die "gruppe 10", ein loser Zusammenschluss von im
Falle Flick interessierten Bürgern, die die Diskussion im Berliner Ensemble
initiiert hatte, andere, den Betroffenen sicher nicht weniger unangenehme
Vorstellungen, Flicks glamourösen Berliner Auftritt ein differenzierteres Finish
zu geben. Schon dass die von Lea Rosh, unter anderem Vorsitzende des
Förderkreises für das Holocaust-Mahnmal, moderierte Veranstaltung stattfand,
zeugt von Hartnäckigkeit und politischer Wachheit. Denn das abgrundtiefe
Schweigen, das die politischen Strippenzieher im Hintergrund wahrten, bis die
Sache unterschrieben auf dem Tisch lag, lässt den Verdacht, hier sollte eine zu
frühzeitige, öffentliche Diskussion unter allen Umständen verhindert werden,
nicht unbegründet erscheinen.
Die Betroffenen allerdings, wie der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, die
Vorsitzende des Kulturpolitischen Ausschusses, Monika Griefahn, die
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Antje Vollmer oder
Kulturstaatsministerin Christina Weiss waren nicht auf dem Podium. Genausowenig
wie Friedrich Christian Flick selbst, wie Peter-Klaus Schuster, Direktor der
Staatlichen Museen, oder Klaus Peter Lehmann, Chef der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz.
Stattdessen saßen da Kultursenator Thomas Flierl (PDS), Alice Ströver,
kulturpolitische Sprecherin, Bündnis 90/Die Grünen, Christoph Stölzl, ehemals
Kultursenator, der Historiker Harald Wixforth, der an der Aufarbeitung der
NS-Geschichte der Dresdner Bank arbeitet, Hilde Schramm von der Stiftung
"Zurückgeben" und Eberhard Radczuweit von der "Soforthilfe Ehemalige
Zwangsarbeiter". Würde eine begleitende Dokumentation der Geschichte der Familie
Flick taugen, das Politikum zu reflektieren? Würde eine Kontextualisierung,
indem die Museen generell mehr Auskunft über ihre Stifter geben, wie Thomas
Flierl vorschlug, helfen? Und schließlich, wenn Flick mit seiner Potsdamer
Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz tatsächlich vielen
guten Projekten auf den Weg hilft, wie Hilde Schramm, Tochter von Albert Speer
sagte, wäre es da nicht richtig, wenn die Flick-Archive endlich der Forschung
zugänglich gemacht werden? Sie könne jedenfalls dieses Unter-Verschluss-Halten
nicht mit der Programmatik der Stiftung hinsichtlich der NS-Vergangenheit in
Einklang bringen, wo es doch heißt: "Gegen jede Tendenz des Vergessens, der
Verharmlosung und Leugnung des Verbrechens anzukämpfen, ist ein Grundanliegen
der Stiftung."
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hagalil.com / 03-05-23
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