Dokumentation von Eyal Sivan und Audrey Marion:
Aus Liebe zum Volk
Jetzt im Kino...
Von Gudrun Wilhelmy
"Es ist unvorstellbar, nichts wird mehr kontrolliert." "Alles
umsonst – das ist kaum zu ertragen." "Die Möglichkeit einer feindlichen
Handlung gegen den Staat konnte hinter allem stecken." "Es geht nur um Staat
und Partei." "Die Durchsuchung von Wohnungen war kompliziert und spannend.
Alles musste normal aussehen." "Es ist unvorstellbar, dass es keine
Sicherheit mehr geben soll." "Ich kann mir so eine Zukunft nicht vorstellen."
"Es war meine Berufung für die Stasi zu arbeiten. Ich war stolz darauf
auserwählt zu werden." "Wir hatten den Ehrgeiz das Land flächendeckend zu
beobachten. Wir waren überall präsent." "Es ist ein Witz zu behaupten, die
Überwachungsmaßnahmen auf öffentlichen Plätzen dienten der Verkehrskontrolle."
"Es gibt Menschen, denen muss man ihr Glück aufzwingen." "Die Andersdenkenden
waren keine Sekunde unbeobachtet. Sie stellten ihr Verhalten darauf ein. Es kam
vor, dass die zu beobachtende Person auf den Observierenden zu kam und ihn
informierte, wo sie langgehen würde." "Besonders die Angehörigen der Kirche
stellten ein heikles Problem da. Wir haben voneinander gelernt." "Die Arbeit
mit der Quelle Mensch war unsere Hauptwaffe." "Beim Bürgerkomitee waren viele
IM." "Zur Stunde will uns niemand haben. Das kann sich von einen Tag auf den
anderen ändern. Doch welcher Staat kann schon auf unsere Kenntnisse verzichten.
Eines Tages werden wir wieder gebraucht." "Mir erscheint es nicht unsinnig
was ich tat." "Neu denken, wie geht das?" "Mein Abteilungsleiter hat sich
nicht abgesetzt." "Ich habe ein Stück Geschichte mitgeschrieben.". "Jetzt
sitze ich auf der Straße."
Eyal
Sivan (bekannt durch seine Filme über Eichmann " Der Spezialist", "Aqabat Jaber:
unwiderruflich Friede" oder "Izkor: Sklaven der Erinnerung)": und Audrey Marion
ist eine Dokumentation über einen ehemaligen Offizier des Ministeriums für
Staatssicherheit - Stasi – gelungen, wie sie selten sind. Die Mischung aus
Bildern von Überwachungskameras, von Überwachungskameras aufgenommene Menschen
und Situationen in Räumen, auf Plätzen, an der Grenze, während Verhören und auch
während der Arbeit und im Privaten sind und bleiben bedrückend.
Fast emotionslos werden die Worte des ehemaligen nunmehr
40jährigen Offiziers S. nachgesprochen. Und die Zitate sprechen für sich und für
ein Berliner Publikum mögen die Bilder aus einer Machtzentrale post-hitlerischer
und kommunistisch-sozialistischer Unterdrückung geläufig sein. Ihre Banalität,
Spießigkeit und Aktenergebenheit wirken außerhalb der Stadt und fern des
ehemaligen Grenzverlaufes sicher anders. Doch sie verstören und erdrücken noch
immer, Lysol-Geruch steigt aus ihnen auf.
Die Zitate aus dem Film, während der Vorführung notiert, und
deshalb sicherlich nicht i-tüpfelchen genau zitiert, sprechen die Sprache der
Bilder und die Sprache eines Staates, der sich über jeden Zweifel erhaben wähnte
und Andersdenkende zwanghaft observieren zu müssen glaubte - scheinbar nicht
therapierbar.
Ein erschütterndes Dokument, das Parallelen zur Nazizeit
zwangsläufig nach sich zieht.
Aus Liebe zum Volk / Pour l'amour du peuple Regie: Eyal
Sivan und Audrey Marion
al /
hagalil.com / 2004-05-12
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