10. Jewish FilmFestival Berlin:
Sind Juden Weiße oder Schwarze?
"Wondrous Oblivion" (Davids Wundersame Welt) und "From
Swastika to Jim Crow"...
Von Gudrun Wilhelmy
London 1960. Zwei Familienväter in einem benachbarten Reihenhaus verstecken vor
Frau und Kindern durch den Briefschlitz eingeworfene antisemitische und
rassistische Drohungen. Der eine ist Jude, der andere Schwarzer. Und dennoch ist
„Wondrous Oblivion“ (Davids Wundersame Welt, ab 15. Juli in deutschen
Kinos), ein Film über das, was Menschen verbindet. In diesem Fall steht an
erster Stelle das gemeinsame Interesse an Kricket. Alles andere ergibt sich
daraus.
Der 11jährige David träumt davon im Kricket-Team seiner Schulmannschaft
mitzuspielen, doch alles über Kricket und Kricket-Spieler zu wissen ist etwas
anderes als zu spielen. Als die neuen Nachbarn, Emigranten aus Jamaika,
einziehen, schaut er verwundert zu, wie der Vater mit seiner Tochter im
Hinterhof Kricket trainiert. David hat einen langen Weg vor sich, bis er an dem
Hinterhof-Training teilnehmen darf, das ihm zu einem Platz im Team seiner Schule
verhilft und er über diesen Erfolg beinahe seine neuen Freunde verliert. Die
Mutter selbst versucht den abfälligen Bemerkungen der alten Nachbarn über die
neu Zugezogenen keine Beachtung zu schenken. Doch aus der anfänglichen Scheu,
der errungenen Zugehörigkeit zu den weißen Nachbarn zu gefährden und der eigenen
Lebensgeschichte als Flüchtling aus Hitler-Deutschland entsprechend einen
Standpunkt zu beziehen, gewinnt die Solidarität mit den neuen Nachbarn
ungewollte Dimensionen.
Ein Film für Kinder und Erwachsene über Freundschaft und Solidarität, über
Fehler und Eingeständnisse, über Verschiedenartigkeit und
Interessensgemeinschaft, über den Rassismus in jedem Selbst und seiner
Überwindung. Dieser Film von Paul Marrison aus Großbritannien war dieses Jahr
auf der Berlinale zu sehen und wurde viel beachtet.
Ganz anders „From Swastika to Jim Crow“
aus dem Jahr 1999 von Steven Fischler, Joel Sucher, Lori Cheatle und Martin Taub
aus den USA. Dieser selten zu sehende Dokumentarfilm handelt von jüdischen
Professoren, die aus Nazi-Deutschland fliehen konnten und an Colleges für
Schwarze in den Südstaaten Amerikas Anstellung fanden. Hier finden sie sich in
einer Gesellschaft wieder, in der noch finsterste Rassentrennung herrschte bis
hin zu lynchenden Ku-Klux-Klan-Anhängern und einer weißen, rassistischen
Polizei. Im Viertel der Weißen wohnend, dem Rassismus Hitler-Deutschlands
entflohen, waren sie Brücke zwischen beiden strickt getrennten Teilen der
Bevölkerung oder Stein des Anstoßes für die eine oder andere Seite. Wie ergraute
ehemalige Schüler und Studenten sie erlebten in ihrer deutsch-professorialen
Korrektheit l, bringt diese Zeitzeugen heute noch zum Lachen. Wie sich
Solidarität auf beiden Seiten einstellt, wenn einzelne von ihnen während der
McCarthy-Ära als Kommunisten verfolgt und bedroht werden und als Weiße ihre
schwarzen Studenten oder Kollegen zu sich nach Hause einladen, führt auf beiden
Seiten zu unumkehrbarem Verständnis „Es ist nicht zu begreifen, was sich die
Menschheit mit ihrem Rassismus selbst antut“ spricht es einer aus. Dem ist
nichts mehr hinzufügen. Ein tiefgehender Dokumentarfilm über das Wunder
vorurteilsfreier Begegnungen zwischen Menschen, die wissen was Verfolgung und
Rassismus ist, über die alltägliche Diskriminierung heraus und die gegenseitige
Verantwortung.
al /
hagalil.com / 2004-06-10
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