Im Baualbum der Synagoge heißt es: "Der Chorbau
ist so groß angelegt, daß neben dem Platz für die Chorsänger auch noch Raum für
eine eventuell aufzustellende Orgel bleibt". Vorerst wurde keine Orgel
eingebaut. Die Synagoge Rykestraße stellte eine Besonderheit in der Berliner
Synagogenlandschaft dar: Der Gottesdienst fand nach altem Ritus statt. Neben
orthodoxen amtierten auch liberale Rabbiner. Neben Jugendgottesdiensten gab es
auch Bat Mizwa Feiern. Im Jahr 1925 wurden 22 Mädchen durch Rabbiner Dr. Weyl,
der auch ein Mentor der weltweit ersten Rabbinerin Regina Jonas war,
"konfirmiert".
1934 wurde eine neue Liturgie am Freitagabend
eingeführt und zwei Jahre später auch für Samstagvormittag. Diese trug den
veränderten Bedürfnissen nach traditionelleren Formen Rechnung. In dieser Zeit
gewannen Vorträge, Sprachkurse und Konzerte an Bedeutung , da die jüdische
Bevölkerung aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt wurde. Die im Vorderhaus
befindliche jüdische Grundschule mußte deshalb erweitert werden. Sie war im
Vorderhaus des Gebäudes 1904 für 500 Kinder eröffnet worden und wurde nun von
700 Kindern besucht. Baracken wurden im Hof aufgestellt und ein zusätzlicher
Standort in der Choriner Straße eröffnet.
Während der Reichspogromnacht wurde das Gebäude
nicht niedergebrannt, da die umliegenden "arischen" Häuser nicht gefährdet
werden sollten. Der Synagogenraum wurde demoliert; Torahrollen wurden geschändet
und Rabbiner sowie Gemeindemitglieder verhaftet und in das nahegelegene KZ
Sachsenhausen deportiert. Nach Reparaturarbeiten konnte die Synagoge an Pessach
wieder geöffnet werden. Der letzte Gottesdienst fand im April 1940 statt. Dann
wurde das Gebäude für die Heeresstandortverwaltung beschlagnahmt und enteignet.
Nach der Befreiung im Mai 1945 durch die Rote
Armee waren im Vorderhaus zeitweise überlebende DPs (displaced persons d.h.
überlebende Juden aus Osteuropa) untergebracht. Schon am 29. Juli 1945 traute
Rabbiner Martin Riesenburger das erste Paar in einem Nebenraum. Er weihte auch
die Synagoge am 30. August 1953 nach einer größeren Renovierung, die vom
Magistrat der Stadt Berlin unterstützt worden war, wieder ein. Im selben Jahr
wurde die jüdische Gemeinde geteilt. Die Synagoge Rykestraße wurde zum Zentrum
der Ostberliner Gemeinde. Nach Rabbiner Riesenburgers Tod amtierte Rabbiner Ödön
Singer zwischen 1965 und 1969.
Nach
großen Sturmschäden mußte das Gebäude zwischen 1967 und 1978 in mehreren Etappen
renoviert werden. Die Wiedereinweihung des großen und kleinen Betraumesraumes
stießen auf großes öffentliches Interesse. Da die kleine Gemeinde - sie zählte
1990 etwas über zweihundert Mitglieder - sich keinen Rabbiner leisten konnte,
amtierten zu den hohen Feiertagen Rabbiner und Kantoren aus dem Ausland. Das
jährliche Synagogenkonzert mit dem Westberliner Kantor Estrongo Nachama und dem
Leipziger Synagogenchor stieß regelmäßig auf große Resonanz. Auch bei
Beerdigungen auf dem jüdischen Friedhof Weissensee amtierte Kantor Nachama oft
mit Rabbiner Ernst Stein.
Olean Ingster, der seit April 1966 als Vorbeter
amtiert, ist es zu verdanken, daß hier die einzige Synagoge der DDR war, an der
regelmäßig am Schabbat und Feiertagen Gottesdienste stattfanden und Jungen auf
die Bar Mizwa vorbereitet wurden. Von 1971 bis 1991 war Dr. Peter Kirchner
Vorsitzender der Ostberliner Gemeinde.
Seit 1999 hat das Lehrhaus der Ronald S. Lauder
Stiftung seinen Sitz im Vorderhaus. Es ermöglicht jungen Männern in
Jahresprogrammen und beiden Geschlechtern in Ferienprogrammen und
Abendveranstaltungen eine Vertiefung jüdischen Wissens und vermittelt praktische
Fähigkeiten für die Gemeindearbeit unter der Leitung von Rabbiner Joshua
Spinner.
Heute wird für die Gottesdienste meist ein
kleinerer Raum genutzt. Die meisten Beter der Rykestrasse sind Zuwanderer aus
der ehemaligen SU. Zum 100jährigen Geburtstag sind vielfältige Aktivitäten
geplant, wie etwa Führungen und Konzerte.
Bilder aus der
Synagoge Rykestraße
Synagogen in Berlin