Als wir das Thema andachten, erschien Deutschlands ausländerpolitische und
kultur-migrantische Lage noch übersichtlich. Man lebte bequem mit den bewährten
Stereotypen vom Gegeneinander und dem Gedanken von der Unverträglichkeit
einzelner Kulturen. Solche Sätze waren eingeübt. Sie bedurften damit keines
Beweises. Zum Allgemeingut gehörte auch jene urbane Zufriedenheit, deren Basis
ein sichtbar florierendes Multikulti bildete. Den Gegnern der
Einwanderung war beides ein steter Dorn im farbenblinden Auge.
Nicht plötzlich, eher in Schüben hat sich dieses anheimelnde Bild gewandelt. Zu
diesem Prozess gehört auch, dass Politiker und Medien kurzerhand zumeist
südländisch wirkende sogenannte „ausländische Mitbürger“ zu Muslimen oder, das
war die nächste Stufe, zu Islamisten umdeuteten. Eine genauere Differenzierung
entfiel; selbst die deutsche Staatsangehörigkeit spielte in dieser Debatte keine
Rolle.
Die Antworten, sollte in späteren Jahren je nach den Gründen für diese
Umbewertung gefragt werden, könnten dann vermutlich eher zögerlich ausfallen. Es
wird schwer sein, ein rationales Muster das zu erkennen, wo Emotionen heftig
ausgereizt worden sind. In einem solchen Fall von Nachfrage wird schließlich
auch eine Klage in Erinnerung gerufen werden, wonach das bewährte deutsche
Schulsystem durch fremdsprachige Kinderscharen unvorhersehbaren Kollisionen
ausgesetzt war und jugendliche Banden – da müsste ergänzt werden: nicht nur
undeutscher Herkunft! - ihre Marken setzten. Sie suchten, so wird die
Überlieferung es speichern, ganz grundlos ein sichtbar ungetrübtes Wohlbefinden
im Kiez zu trüben.
Als nicht minder bedrohlich hatten sich seinerzeit, so wird berichtet werden,
auch kopftuchtragende Frauen im öffentlichen Dienst entpuppt. Von dieser Gefahr
erlöste der Gesetzgeber das Land fast in Windeseile, wobei muselmanische
Männerbärte als religiöse Symbole weder erkannt, geschweige denn abgeschoren
wurden.
Eine wirkliche Genugtuung stellte sich damals dennoch nicht ein. Also kam die
Zwangsverheiratung junger Frauen in Anatolien auf die deutsche Tagesordnung,
wobei das Dilemma der zwangsverheirateten jungen Männer geflissentlich übersehen
wurde, obgleich sogar ein Spielfilm aus dem klassischen Einwanderungsland
Großbritannien, ein in Manchester handelndes pakistanisches Beispiel, geradezu
exemplarisch vorführte (und die nicht minder klassische katholische Reaktion auf
private Liebschaften nicht aussparte).
Mit großer Vehemenz wurde jedenfalls in Deutschland ganz konservativ ein Ende
der multikulturellen Gesellschaft behauptet, und zwar jener, die zuvor in
breiten Kreisen als nicht-existent bezeichnet worden war. Auch ein deutsches
Leitbild wurde bemüht. Nur wurde nunmehr gemeint, dieses ließe sich durch einen
Eid auf die Verfassung erwerben. Da war es nicht weit zur Frage nach
neudeutschem Patriotismus, der mangels Suche nach geeigneten historischen
Quellen wie dem Jahr 1848 oder ähnliches irgendwo in einem gereinigten Überbau
vermutet wurde.
Kurz gesagt: In Deutschland ging ein großer Reformwille um.
Trotz der dick aufgeblasenen Infamie und trotz manch platter Wahrheiten über die
längst hier beheimatete, und doch verschmähte bis verleugnete sozio-ethnische
und kulturelle Diversity oder Vielfalt, ließen sich so schwer verdauliche
Happen wie Hartz IV,Rechtsextremismus, Finanz-, Gesundheits- und sonstige Krisen
nicht ohne Rückstand aus dem Alltagsbewusstsein drängen. Auch die Herauskehrung
von das deutsche Fremdeln fördernden kulturellen Nischen, selbst deren trotzige
Umbenennung in Parallelgesellschaften ließ sich in aller Öfentlichkeit
nicht wirklich dazu nutzen, gesellschaftlich Wesentlicheres zu verstehen. Der
Abstand zwischen Mein und Dein wuchs geschwind. Die Abneigung gegen das, was man
jüdisch wähnte nahm neue Züge an, während sich eine bislang fast ungekannte
Islamfeindschaft erheblich vergrößerte. Jetzt musste die politische Szene
gemeinsam mit den Medien gegen erschreckende Reaktionen auf ihre eigene
Geschwätzigkeit steuern.
Doch die ungute Kampagne hatte auch eine gute Seite. Endlich durften auch
Muslime und Muslima ihre Lebensentwürfe öffentlich im Fernsehen vertreten. Und
sie taten dies mit Selbstvertrauen, in gutem Deutsch, und bedienten nicht die
festgewordenen Vorurteile, die als abendländische Tradition behauptet worden
waren.
Gänzlich, sicher nicht vorsätzlich, wurde und wird durch die ideologische Schere
bisher fast selbstverständlich weggeschnitten, was auch für Migranten, Ein- wie
Zuwanderer, Asylbewerber und natürlich alle Nachgeborenen beiderlei Geschlechts
gilt: Sie werden allesamt chronologisch, also biologisch älter und damit - in
absehbarer Zeit - altgeworden sein. Eine neue Jugend wird sie dann ersetzen.
Dieser allerdings wird gemeinhin sehr wenig deutscher Sinn und noch weniger
globaler Verstand zugetraut. Was das für die heute und morgen Gealterten und für
ihre jeweilige Stadt heißen könnte, das wird die Zukunft zeigen.
Das heutige Altsein der Migranten scheint zur Zeit jedenfalls nur die
Sozialämter zu beschäftigen. Der Zuwachs an Jahren, genannt Älterwerden, bleibt
nach wie vor den eigenen Selbstverständnissen überlassen. Woher sich diese
speisen, ist unbekannt. Es bleibt zu beobachten, zu erfragen, zu beschreiben und
schleunigstin komplexere politische, kulturelle, soziale, ökonomische
Zusammenhänge einzufügen. So wissen wir offensichtlich kaum, welche Vor- und
Leitbilder, welche Normen, welche Schwierigkeiten mit dem Altwerden und Altsein
in den diversen gesellschaftlichen Gruppen mit ihren verschiedenen kulturellen,
religiösen, ethnischen, nationalen Überlieferungen zu entdecken sein werden.
Wie denken sich beispielsweise religiös-orthodoxe Christen, Muslime oder Juden
ihren Lebensabend? Und wie sehen sich die Anderen im Alter? Wie – oder werden
sie überhauptvon ihrer Umwelt wahrgenommen? Wie fügen sich ihre auf das Alter
bezogenen Überlieferungen in die Tatsachen des heutigen und morgigen
Deutschlands?
Was unterscheidet diese Altgewordenen voneinander, was macht sie einander
ähnlich? Wo können sie davon erfahren?
Mir scheint, dass solch Fragen bislang – wenn überhaupt – dann in den
ethnischen, kulturellen, religiösen – kurzum in den herkunftsfamiliären
Gewissheiten einfach linear stecken geblieben – oder noch nicht einmal gestellt
worden sind. Sonst wüssten wir sicherlich mehr.
Die vor 150 Jahren mit der Industrialisierung erzwungenen Umbrüche schufen
beispielsweise in Deutschland jene städtischen kleinen Familien bis hin zum
Single-Haushalt. Aus der Industrialisierung resultierten die ökonomische
Unabhängigkeit der Frau und der Familienmitglieder voneinander, jetzt musste es
gewisse Sicherheiten für den Produktionsbereich geben, es folgten die von
Bismarck eingeführten und durch die Arbeiterbewegung fixierten Renten- und
Sozialrechte, es entstand eine Gesundheitspolitik – grob gesagt – so begannen
sich die trotz und auch wegen zweier Weltkriege die uns vertrauten
westeuropäischen Alternsmodelle herauszubilden. Ich sage uns, und ich
weiß genau, dass dieses uns viele ältere jüdische Einwanderer aus
Russland oder Spätaussiedler aus Kasachstan, türkische und kurdische
Arbeitsmigranten, vietnamesische Vertragsarbeiter, polnische Saisonkräfte oder
afrikanische Asylsuchende ausschließen könnte.
Wie muss, wie sollte ich mir den Lebensabend der Eltern oder Großeltern in
Afrika, Kasachstan, im Libanon, Türkei, in Vietnam – vor allem außerhalb der
großen Städte - vorstellen? Sind das Altersentwürfe, die für sie, die
Nachfahren, hier in Berlin auch künftig gelten könnten? Es scheint
unausweichlich, dass in der modernen westlichen Kern- und Singlefamilie das
Thema Alter zunehmend in den Konsum- und Dienstleistungsbereich delegiert wird.
Die Langlebigkeit der Alten und die Berufsarbeit der Jüngeren, die Großeltern-
und Kindeserwartungen aneinander schließen sich auch aus. Ein neuer Markt ist
schon entstanden, auch wenn er sich hierzulande noch undeutlich markiert.
Durch die hohe Arbeitslosigkeit in der Generation der über 45-jährigen wird aber
gleichzeitig der Eindruck erweckt, als gäbe es eine Rückkehr zur ländlichen
Drei- oder Vier-Generationen Familie. Mit der Pflegeversicherung kommt häufig
die Idee ins Gespräch, Betreuung und Pflege der bedürftigen Alten könnten
kostengünstig wieder in den Familienverbund verlagert werden. Ich halte das für
einen Trugschluss.
Berufsarbeit gehört nach wie vor zu den Leitbildern des Erwachsenenlebens von
westlichen Frauen und Männern. Langlebigkeit ist eine zivilisatorische Leistung,
für die es neuer Angebote bedarf. Sollte sich allerdings – wie anzunehmen - eine
andere gesellschaftliche Realität dauerhaft durchsetzen, sollte die Berufsarbeit
weiterhin schrumpfen und freie Zeit gesellschaftlich verfügbar werden, dann
werden sich auch die Leitlinien und mit ihnen das ideologische Drumherum ändern.
Ein anderer, vielleicht modernerer Entwurf von generativem Miteinander könnte in
unser Blickfeld geraten. Visionen wie diese könnten durch Hartz IV bestärkt
werden - werden sie aber nicht, weil die Politik über ihren eigenen
Vierjahreszeitrahmen nicht hinaussehen kann, weil der freizeitliche Gedanke noch
immer vor allem als Kommerz gedacht wird und im Mangel an gesellschaftlichen
Utopien das Träumen – das aber ist, so würde Fontane sagen, ein weites Feld
-vergessen wird.
Westliche Altersmodelle speisen sich aus historischer Erfahrung. Sie dienen der
Gegenwart, doch ohne bislang unausgesprochene Ideen über das kulturelle Altern
oder das Altwerden als Kulturleistung wird Verwirrung entstehen. Ohne neues
Denken und Wissen können die Alterslebensformen und die Alternswege der in den
letzten vier Jahrzehnten Eingewanderten und ihrer Nachfahren kaum vorzudenken
und noch weniger nachzuvollziehen sein.
Glaubt da wirklich irgendjemand, die schlichte Umsetzung von Altgewordenen in
mehr oder weniger gut geführte Wohneinrichtungen mit und ohne Betreuung und
Pflege wäre für das heutige anatolische, libanesische oder sowjetische Ideal
eines Lebens im Alter als Anregung vermittelbar? Muslime, Christen, Juden und
Atheisten aus den östlichen wie südlichen Regionen dürften sich in der Abneigung
gegen solche „Leitbilder“ heute noch einig sein.
Doch auch das wird sich allmählich ändern, denn auch hier wird sich die
bedauernde Einsicht in solche Notwendigkeiten durchzusetzen haben. Das kommt mit
und vom Leben im Westen - allerdings bleibt anzumerken, dass der unaufhaltsam
eilige Übergang aus dem Industrie- in das Computerzeitalter mit seinen
kulturellen Konsequenzen für die Handlungsvielfalt in allen Lebensaltern bislang
öffentlich eher kein Thema ist.
So sind andere Familienstrukturen noch immer auf scheinbar ewig verfestigt –
wenn man den eigenen Eindrücken und manchen Medienbildern trauen darf. Noch darf
die älteste Einwanderergeneration wie selbstverständlich erwarten, dass die
nachfolgende (der älteste Sohn, die Tochter) - wenn es nötig ist - die
Verantwortung für das elterliche Lebensalter übernehmen. Diese Pflicht gegenüber
den Älteren bindet und sie kann jeden anderen Lebensentwurf sehr plötzlich
beenden.
Wie kommt es eigentlich, dass uns die Beispiele dafür nicht erreichen, während
das Thema Zwangsverheiratung gern kolportiert wird? Hat das vielleicht mit der
uneingestandenen Hilflosigkeit gegenüber Alter und Pflege in der
Mehrheitsgesellschaft zu tun?
Ja, es gibt eine große Aufregung um die Tatsache, dass Deutschland ein
Einwanderungsland geworden ist. Diese äußert sich auch als Wut über die
Unumkehrbarkeit dieser Entwicklung. Und in wachsender Unsicherheit, nicht selten
gepaart mit Angst und Vorbehalten. Im Hinblick auf das fremde Altern gibt es
dabei vor allem Vermutungen, was richtig sein könnte. Und es gibt Zumutungen,
und jene Situationen, in denen schon das Wort „normal“ ungemein diskriminierend
sein kann. Wann und wie sollen die Behördenmitarbeiter lernen, was Altern und
Altsein in Anatolien, in Spanien, im tiefen Russland, Süditalien, in Kasachstan,
Palästina, Ostafrika oder im Libanon über die Jahrhunderte bedeutete? Wird es
ihnen helfen zu begreifen, dass einiges davon heute in Deutschland zu den
eigenen, also kulturspezifischen Verhaltensweisen beiträgt, die gemeinhin auf
deutscher Seite als etwas Fremdes wahrgenommen werden?
Die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe in Deutschland – so das
Statistische Bundesamt – besteht aus älteren Menschen mit Migrationshintergrund.
Von ca. 7 Millionen Menschen nichtdeutscher Herkunft sind heute mehr als 700 000
über 60 Jahre alt. Sie werden älter werden, sie werden weiterhin hier den
Lebensabend verbringen. Im Jahr 2010 werden über 1,3 Millionen Menschen über 60
Jahre Familiengeschichten haben, die noch vor einer oder zwei Generationen
fernab von Deutschland spielten. Um 2030 wird sich die Zahl mehr als
verdreifacht haben. Das ist –positiv gesehen – eine demographische Tatsache und
ein kultureller Reichtum, die Normalität eines Einwanderungslandes. Nicht
norm-entsprechend ist es hingegen, die logischen Folgen aus Geburt und Tod
auszublenden und sich dann über bevölkerungsstatistische Tatsachen und
kulturelle Potenzen zu ereifern.
Ich denke, über diese Themen muss beharrlicher nachgedacht werden. Wir brauchen
dafür und deswegen dringend die Öffnung der sozialen Dienste, noch dringlicher
aber ist die interkulturelle Öffnung der Verwaltung. Noch bedeutsamer scheint
mir, dass sich die Mehrheitsgesellschaft an die mit ihnen alternden Minderheiten
gewöhnt, ohne Angst zu haben und dass auch den Minderheiten die Prozesse
kultureller Vielfalt vermittelt werden. Sehr ernst genommen werden solche
Notwendigkeiten noch nicht. Der Druck wird alsbald kommen.
Erste und weitere Schritte gibt es dort, wo sich die Probleme häufen. Dadurch
entstehen Betreuungsangebote türkischer oder russischsprachiger Dienstleister,
nach außen hin kaum kommuniziert sind die Anstrengungen von AWO, Caritas,
jüdischer Wohlfahrt und vieler Vereine, Projekte wie die „kultursensible
Altenpflegeausbildung“ in Hannover. Wer kennt schon das Baumodell
„Interkulturelles Altenhilfezentrum“ in Frankfurt-Höchst? Die Forderung des
neuen Altenpflegegesetzes des Bundes ist eindeutig: Ethnien-spezifische Aspekte
sind in die Ausbildung - für die spätere Praxis - zu integrieren. Geschieht es
in der nötigen Vielfalt, sind die Träger der Erfahrung hier eingebunden?
Es lässt sich also vermuten, dass Politiker und Medien alsbald das Neue
verkünden werden: Alle Menschen altern, alte Menschen haben spezielle
Bedürfnisse und Erfahrungen (und verfügen über Kaufkraft) - und – welch Wunder –
ganz plötzlich wird man wissen, dass all das in Deutschland nicht mehr nur auf
Deutsch, sondern auch auf Türkisch, Russisch, Arabisch, Polnisch, Spanisch oder
Vietnamesisch handelt. In diesen Sprachen (und Sprache ist Kultur) müssen viele
das Älterwerden bewältigen, ihre physischen Einschränkungen, den Wunsch nach
Geselligkeit, Einsamkeit und die Hoffnung auf Begegnung, ihre Neugier auf diese
Stadt und deren für junge Leute unsichtbaren Grenzen, den All- wie den Festtag.
Werden alsbald Bundes-, Landes- und regionale Kommissionen über das Altern der
Migranten nachdenken? Dürfen alt gewordene Migranten dann im Fernsehen über ihr
eigenes Leben und ihre Erfahrungen sprechen? Wird verblüfft festgestellt werden,
dass auch deren Biographien zur deutschen Geschichte gehören? Wird sich dabei
herausstellen, dass es möglich ist, auch in gebrochenem Deutsch von den
Altersweisheiten einer anderen Kultur zu berichten? Wie klar wird vorgedacht,
dass diese Menschen in Deutschland auch beerdigt werden müssen? Sind die
Friedhöfe darauf vorbereitet?
„Wellness im Kiez“ – das soll heißen: Im Kiez altern Menschen und mit ihnen
altert auch eine migrantische Erfahrung. Zum Wohlgefühl, das heute Wellness
heißt, gehören vertraut gewordene Straßen, eine mitalternde Nachbarschaft, der
Nachwuchs von nebenan, auch der Tod, gehören öffentliche Treffpunkte, der Bäcker
oder der Supermarkt. Im Kiez vergeht auch das Leben der ehemaligen Einwanderer,
hier sind sie, die Kiezbewohner, vor allem Berlinerinnen und Berliner
unterschiedlicher Herkunft, Religion, Lebensweise. Im Kiez weiß jeder, wie es
ist, wenn eine Treppe zu steil und die Straßenbeleuchtung zu dunkel ist. Hier
wirken die Fakten des sozialen und ökonomischen Seins sehr direkt. Man lebt
anders von Pension oder Rente oder Sozialhilfe. Und es kann sehr verschieden
sein, wenn eine Art von Heimat in der eigenen, gemieteten oder mitgenutzten
Wohnung etabliert ist und diese aus Altersgründen verlassen werden muss, wenn
die Straße unerreichbar geworden ist, wenn die all- und feiertäglichen Rituale
fernab stattfinden und es keine Erreichbarkeit von Ärzten, Gemüseläden,
Grünanlagen, Moscheen, Kirchen oder Synagogen ohne Hilfe von außen gibt. Dann
hat sich der Radius auf wenige Quadratmeter Berlin eingeengt.Wohl dem, der seine
treusorgende Familie für solche Fälle ausgerichtet hat und in einer kulturell
verständlichen Gegend lebt. Was genau aber ist das? Und die anderen? Gibt es
schon ein Know-how des Umgangs mit den tatsächlichen Alternstatsachen einer
herkunftsspezifisch gemischten Bevölkerung?
Nicht nur so gesehen kann das Thema Altern nicht veralten. So gesehen müssten
die überalterten Vorstellungen und altgewordene Zerrbilder vom Verlauf des
Lebens langsam zerbröckeln. Sie tun es aber nicht.