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Kassenärzte im Nationalsozialismus:
Ein spätes Schuldbekenntnis

57 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus erforscht die Kassenärztliche Vereinigung erstmals die eigene historische Verantwortung: "Die KV hat dazu beigetragen, jüdische Ärzte zu vernichten"

Von Sabine am Orde

Am morgigen Sonntag lädt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zu einer Gedenkveranstaltung für die ermordeten und vertriebenen jüdischen Ärzte Berlins in die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße ein. Einen Tag nachdem sich die Pogromnacht zum 64. Mal jährt, wirkt das nicht ungewöhnlich. Doch das ist es. Denn bislang hat sich die KV der Aufarbeitung ihrer Geschichte verweigert.

"Der Mantel des Schweigens muss endlich gelüftet werden", meint jetzt der Vorsitzende der Organisation der Kassenärzte, Manfred Richter-Reichhelm. "Das sind wir unseren jüdischen Kollegen und allen Opfern des Nationalsozialismus schuldig." Deshalb sei er auf den Vorschlag des Bundesverbandes Jüdischer Ärzte in Deutschland eingegangen, mit einem Projekt die Aufarbeitung zu beginnen, so Richter-Reichhelm.

Eine Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel der KV-Geschichte sei überfällig und dringend notwendig - auch vor dem Hintergrund jüngster antisemitischer Vorfälle "wie vor wenigen Tagen in Spandau". Dort war der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Alexander Brenner, bei einer Straßenumbenennung antisemitisch beschimpft worden. In Berlin lebten bis 1933 vermutlich rund 3.000 bis 4.000 jüdische Ärzte. Bereits 1933 begann deren systematische Vertreibung, Verfolgung und Ermordung. Wie viele der Ärzte betroffen waren, ist bislang nicht exakt bekannt.

Die Gedenkveranstaltung in der Neuen Synagoge, zu der neben der Kassenärztlichen Vereinigung auch der Zentralrat der Juden, die Jüdische Gemeinde, der Bundesverband Jüdischer Ärzte und das Institut für Geschichte der Medizin einladen, ist der vorläufige Abschluss des Aufarbeitungsprojekts. Dazu gehörten eine vierteilige Vortragsreihe zur ärztlichen Standespolitik während des Nationalsozialismus und die Anschubförderung eines Forschungsprojekts zur Rolle der KV, für die nun eine weiter reichende Finanzierung gesucht wird (siehe Interview).

"Wir müssen erkennen, dass die KV dazu beigetragen hat, jüdischen Ärzten ihre Existenz zu nehmen und sie später zu vernichten", so Richter-Reichhelm. Ein Großteil der nichtjüdischen Kassenärzte habe in der NSDAP die Vertreter ihrer ärztlichen Interessen gesehen. Gerade in Berlin habe die Standesorganisation, die während des NS "Provinzstelle Groß-Berlin der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands" hieß, ihren jüdischen und politisch oppositionellen Kollegen so radikal den Kassenstatus entzogen, dass das Reichsarbeitsministerium ein Drittel der Berufsverbotsbescheide zunächst wieder aufheben musste.

Nach dem Ende des Kriegs, als sich die Vorläuferstrukturen der heutigen KV bildeten, seien dieselben Kassenärzte in die alten Positionen zurückgekehrt, die die Vetreibung ihrer Kollegen gutgeheißen hatten. Ein Beispiel: Der Rechtsanwalt Clemens Brewer gehörte zur Führungsmannschaft der im August 1933 gegründeten Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands, unter deren Ägide die lokalen KVen gleichgeschaltet wurden. Nach dem Krieg war Bewer Justiziar der "Vereinigung der Sozialversicherungsärzte von Groß-Berlin", aus der 1955 die Kassenärztliche Vereinigung Berlin wurde.

"Es waren solche Menschen", sagt Richter-Reichhelm, "die sich und die Kassenärzte vor unliebsamen Nachforschungen geschützt haben." Noch in den 80er-Jahren sei die Berliner Ärztekammer, die Standesorganisation aller Ärzte, von der KV "als Nestbeschmutzer" attackiert worden, weil sie sich des Themas Medizin und Nationalsozialismus annahm.

Roman Skoblo vom Bundesverband Jüdischer Ärzte lobt KV-Chef Richter-Reichhelm für sein Engagement. Endlich sei in der Organisation jemand gefunden, der "dieses Thema - anders als seine Vorgänger - nicht ad acta legen will". Alle Erklärungen über Zeitverzögerungen bei der Geschichtsaufarbeitung reichten nicht aus, so Skoblo weiter, "um zu verstehen, warum in den vergangenen 57 Jahren nichts passiert ist".

Mit dem Berliner Projekt sei ein erster Schritt zu einer Gesamtgeschichte der Kassenärztlichen Vereinigung in Deutschland getan, sagte auch Gerhard Baader, Professor am Institut für Geschichte der Medizin an der Freien Universität. Das sei lange überfällig. Schließlich seien die ärztlichen Standesvertreter vom ersten Tag an verlässliche Erfüllungsgehilfen der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik gewesen, so der Historiker.

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