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Jugend und Bildung:
Unterschätzte Jugendarbeit

Die Mitgliederbefragung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin

Von Judith Kessler

Jüdische Erziehung – Eine absolute Mehrheit von 84 Prozent aller befragten Mitglieder hält eine jüdische Erziehung für "wichtig" oder "ziemlich wichtig"; "unwichtig" nennen sie nur 4 Prozent, der Rest ist sich nicht sicher oder hat keine Meinung. Bei der Teilfrage nach dem Stellenwert einer "jüdischen", "deutschen", "russischen" oder "multikulturellen" Erziehung kritisierten einige Teilnehmer zu Recht die verwendeten Begriffe, die eine Vermischung von "Religion" und "Nation" beinhalten, sowie die Fragestellung, die nahelegt, die eine Erziehung würde die andere ausschließen. Die meisten äußerten sich dennoch zu der Frage. Allgemein hohe Zustimmung erfährt die "multikulturelle Erziehung", vor allem bei Zuwanderern aus der früheren Sowjetunion (60 Prozent); nur 10 Prozent von ihnen halten im übrigen eine "russische" und kein einziger hält eine "deutsche" Erziehung für wichtig.

Aufgaben der Jugendarbeit – Was aber gehört zu einer adäquaten (jüdischen) Erziehung? Nach dem Stellenwert einiger (vorgegebener) Aufgaben befragt, wurde die "soziale/gesellschaftspolitische Erziehung" am häufigsten (46 Prozent) als "sehr wichtig" eingestuft, vor allem von aus Deutschland und Drittländern Stammenden. Sie betonen auch die religiöse Erziehung stärker als die in der UdSSR Geborenen (51 zu 23 Prozent). An dritter Stelle in der Wertigkeit steht der Iwritunterricht und an letzter die Freizeit-/Ferienbeschäftigung. Ausgerechnet sie wird jedoch von allen Angeboten am besten beurteilt: 70 Prozent geben ihr gute bis mittlere Noten. Am schlechtesten kommt die – als am wichtigsten eingestufte – "soziale und gesellschaftspolitische Erziehung" weg: Über die Hälfte, die sich zu ihrer Qualität äußern, nennen sie "ungenügend". Insgesamt bewerten Frauen die Aktivitäten positiver als Männer, Jüngere bewerten sie negativer als Ältere, GUS-Zuwanderer finden alle Angebote (bis auf die Religionserziehung) mit Abstand am schlechtesten.

Weitere Aufgaben, die Teilnehmer notiert haben, sind zusammengefasst: Erziehung zu Zionismus und Israel-Freundschaft, Identitätsstiftung und gemeinschaftsbildende Aktionen, Begegnung mit anderen Kulturen und Religionen, stärkere Orientierung auf ein Leben in Deutschland, Religionserziehung, aber "nicht durch bestimmte Richtungsvorgaben oder Sekten". Und ein Student warnt: "Die Jugendarbeit wird absolut unterschätzt. In Anbetracht dessen, dass diese Kinder einmal die Gemeinde übernehmen sollen, sehe ich schwarz."

Jüdische Schulen – Über die Hälfte aller Befragten (56 Prozent) haben ihr Kind auf eine jüdische Schule geschickt oder würden es dort hingeben. 15 Prozent wollen dies nicht, 17 Prozent sind sich nicht sicher. Insgesamt stehen mehr Frauen als Männer den Schulen positiv gegenüber, deutlich mehr junge als ältere Mitglieder und mehr in Deutschland und Drittländern als in der Sowjetunion Geborene. Letztere sind auch am unsichersten, ob sie ein Kind in eine jüdische Schule geben würden.

Zu welchen Bedingungen würden Eltern den Besuch einer jüdischen Schule befürworten? Über ein Drittel konnte hierzu keine Angaben machen. Am häufigsten wurde die Antwort "qualifizierteres Lehrpersonal" angekreuzt – von 46 Prozent aller Befragten, und vor allem von in Deutschland und in Drittländern geborenen. "Mehr jüdische Lehrinhalte" wünschen sich 16 Prozent der Teilnehmer – gleichmäßig über Frauen und Männer sowie die Herkunftsländer verteilt, sind es vor allem junge Leute (27 Prozent der bis 30-jährigen, aber nur 11 Prozent der über 60-jährigen), die "mehr jüdische Lehrinhalte" wollen. Es gibt aber auch Mitglieder, die sich dann für eine jüdische Schule entscheiden würden, wenn dort "weniger jüdische Lehrinhalte" (!) angeboten würden – nämlich 1 Prozent der hier Geborenen, 7 Prozent der aus der UdSSR und 5 Prozent der aus den Drittländern stammenden Befragten.

Die Schulgebühren halten daneben 15 Prozent für zu hoch, 10 Prozent wünschen sich mehr außerschulische Aktivitäten (überwiegend GUS-Zuwanderer) und 8 Prozent eine andere geografische Lage. Unter "sonstiges" gibt es viele Vorschläge allgemeiner Art ("höheres Niveau", mehr "Leistungsorientierung und Kompetenz von Lehrern und Erziehern") oder Konkretisierungen des Wunsches nach "jüdischen Lehrinhalten" durch "mehr Iwrit, Israel, Religion". Problemlos umsetzbar scheint der Ruf nach besserer Information über die vorhandenen Schulen und Möglichkeiten. Dass etliche Mitglieder tatsächlich nicht gut informiert sind, zeigt der mehrfach geäußerte Wunsch nach koscherer Verpflegung (die in den jüdischen Schulen obligatorisch ist). Die Wünsche nach weiteren Schulen (Haupt-, Gesamt-, Ganztagsschule) und Einrichtungen ("Englischsprachiges", "Babykrabbelgruppe") sowie Angeboten "weiter östlich" sind schwerer mit der Realität zu vereinbaren, allein aufgrund der geringen Zahl der Kinder, die für die entsprechenden Einrichtungen in Frage kämen. Uneins sind sich die Mitglieder über die Zusammensetzung des Personals und der Schüler. Etwa zu gleichen Teilen wird nach "mehr" bzw. "weniger" jüdische Lehrern und Schülern verlangt, letzteres um die "interkulturelle Kompetenz" der jüdischen Kinder zu stärken. Überwiegend gut wird außerdem die Grundschule und die KITA beurteilt.

Die Jugendlichen selbst sehen die jüdischen Schulen recht positiv. Weniger als 10 Prozent der hier – über die Eltern/Großeltern – befragten Schüler jüdischer Schulen würden "lieber in eine andere Schule" gehen, aber 28 Prozent der befragten Schüler nichtjüdischer Schulen wären "lieber in einer jüdischen Schule". Warum sie dort nicht sind, müsste in vertiefenden Interviews mit den Eltern geklärt werden.

Beratungsangebote – 26 Prozent geben an, "keinen Bedarf" an den Schul, Erziehungs- oder Familienberatungsangeboten der Gemeinde zu haben. Nur 7 Prozent waren einmal in einer solchen Beratung und 4 Prozent mehrmals. Die in Deutschland Geborenen nutzen die Angebote am seltensten, die in Drittländern Geborenen am "häufigsten". Warum werden die Angebote so wenig genutzt? Ist es der Mangel an "Kompetenz und Diskretion", den eine Befragten befürchtet? Die Antworten auf eine andere entsprechende Frage erhellen einiges: Danach kennen überhaupt nur 27 Prozent der Befragten die Erziehungsberatungsstelle; 4 Prozent nutzen sie. 14 Prozent von denen, die sich zur Qualität der Einrichtung äußern, sind "zufrieden", 66 Prozent sind unzufrieden, 20 Prozent finden sie "mittelmäßig". Die Jugendabteilung kennen immerhin 56 Prozent der Befragten; 25 Prozent nutzen sie; 31 Prozent von ihnen sind zufrieden, 33 Prozent sind unzufrieden. Dazwischen liegt die Jugend- und Familienberatung. 31 Prozent kennen sie, 6 Prozent nutzen sie; 27 Prozent der Nutzer sind zufrieden, 43 Prozent unzufrieden. Alles in allem ein wenig schmeichelhaftes Bild der flankierenden Jugendangebote. Sie sind bei zu wenigen Mitgliedern bekannt, noch weniger nutzen sie und zu viele sind unzufrieden mit ihnen.

Ferien- und Freizeit – Und wie sieht es mit der Freizeitgestaltung der jüdischen Jugend aus? 15 Prozent der – hier über ihre Eltern/Großeltern – befragten Jugendlichen nennen die Angebote des Jugendzentrums "gut", 31 Prozent finden sie "mittelmäßig" und 13 Prozent "schlecht"; die restlichen können die Aktivitäten nicht beurteilen. Weiterhin partizipieren höchstens die Hälfte der Familien mit Kindern am Machané-Angebot: 50 Prozent waren noch nie, 13 Prozent einmal, 37 Prozent mehrmals auf einer Machané. Kinder von GUS-Zuwanderern fahren am seltensten (11 Prozent einmal, 29 Prozent mehrfach) und Kinder von in Deutschland geborenen Mitgliedern am häufigsten (7 Prozent einmal, 42 Prozent mehrfach). Außerdem scheint ein Zusammenhang zwischen der Mitgliedschaft in einer jüdischen Jugendorganisation/-gruppe und der Machané-Teilnahme zu bestehen: Drei Viertel aller, die Mitglied einer solchen Gruppe sind, waren auch schon mal auf einer Machané, aber weniger als ein Viertel jener, die keinem jüdischen Verein angehören. Insgesamt werdendie Ferienreisen gut beurteilt: Ein Drittel der Antworter finden sie "optimal". 47 Prozent meinen daher auch, es gibt "zu wenig" solcher Reisen, für 21 Prozent (vor allem junge Leute) sind sie "zu teuer". Alle Kriterien zusammengenommen, sind die GUS-Zuwanderer am unzufriedensten mit den Machanot und die aus den "Drittländern" am zufriedensten; die Einheimischen liegen dazwischen.

Fazit einer Teilnehmerin: "Die Gemeinde hat in der letzten Zeit dankenswerter Weise viel für Senioren gemacht. Nun finde ich, ist die Jugend dran. Langweilige, wenig anspruchvolle Angebote im Jugendzentrum, wenig Freizeitangebote und kaum Chancen auf einen Machané-Platz treibt unsere Jugend auf die Straße. Da muss was gemacht werden!"

Exkurs: Eltern und Kinder: Beinflusst das Verhalten der Eltern die Kinder?

Ob es einen Zusammenhang zwischen Verhaltensweisen oder Ansichten der Eltern und der Kinder gibt, läßt sich schwer nachweisen. In jedem Fall ist beispielsweise die Mitgliedsquote in jüdischen Organisationen bei Kindern, deren Eltern früher selbst in einer jüdischen Organisation waren, viel höher (36 Prozent) als bei Kindern, deren Eltern keiner solchen Vereinigung angehörten (20 Prozent). Die Teilnehmer sollten jedoch auch zu anderen Punkten ihren Nachwuchs befragen. Die Ergebnisse sprechen gegen eine stärkere Loslösung vom jüdischen Umfeld bei der jungen im Vergleich zur Eltern-Generation: Fast die Hälfte der antwortenden Jugendlichen finden einen jüdischen Freundeskreis wichtig und ebenso viele hätten später gern einen jüdischen Partner (34 Prozent wissen es "noch nicht"). Bei den Eltern waren es nur wenig mehr, die einen jüdischen Partner für ihr Kind bevorzugen würden.

58 Prozent der Jugendlichen denken ferner, dass sie "später Mitglied der Jüdischen Gemeinde bleiben" werden, nur für 6 Prozent ist schon klar, dass sie austreten wollen und 36 Prozent sind noch nicht sicher. Weiterhin würden 58 Prozent aus der "nächsten Generation" einen Sohn beschneiden lassen. Auch hier ist die Zustimmung bei den Eltern nicht wesentlich höher. Allerdings sind deutlich mehr Kinder (33 Prozent) als Eltern (12 Prozent) unentschieden. Sehr ähnlich gewichtet sind die Antworten auf andere Fragen: Neben den 49 Prozent, die schon wissen, dass sie ihr Kind auf eine jüdische Schule schicken würden, können 43 Prozent der "Nachkommen" dies "(noch) nicht sagen".

Die Antworten des Nachwuchses insgesamt betrachtet, sind in jedem Fall hoffnungsvolle Mehrheiten zu erkennen, die sich in der Zukunft potentiell in die Jüdische Gemeinde einbringen könnten.

Allerdings passiert dies nicht von selbst, und vor allem können die vielen, die sich noch nicht sicher sind, der Gemeinde leicht wieder verloren gehen.

Für weitere Details der Studie
kontaktieren Sie bitte:

Judith Kessler M.A.
jb@jg-berlin.org

hagalil.com 08-05-03

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